Hoehenfieber
Gespräch.
Sein Blick glitt durch die Kabine, blieb an dem Mann hängen, der vor Stunden die Bordwand mit den Fäusten traktiert hatte. Sein Gesicht wirkte finster, doch er verhielt sich friedlich. Auch der provokative Kerl aus der Reihe neben Quinns ehemaligem Sitzplatz blieb ruhig. Seine Frau, ein halbwüchsiger Junge und ein kleineres Mädchen hatten die Reihe bereits verlassen.
Virge hob den linken Arm und sah auf sein Handgelenk. Verflucht! Er hasste es, keine Armbanduhr zu tragen.
Noch etwa zehn Reihen. Er wandte sich zum Bordfenster. Auf seiner Seite befanden sich die Service-Doors des Flugzeugs. Virge suchte nach einer Bewegung draußen, nach einem herannahenden Fahrzeug, doch es war zu dunkel, um mehr zu erfassen als zwei der vordersten Militärfahrzeuge.
Dix und Nash schoben sich schnell voran. Vier weitere Frauen und sechs Kinder wurden in die Business Class geführt. Der Großteil der Flugbegleiter blieb zurück, nur Taylor und zwei weitere Crew-Mitglieder begleiteten Dix, Nash und Virge mit der letzten Gruppe. Das Schweigen hämmerte in seinem Rücken. Ihm taten die Familienangehörigen leid, die zurückblieben in der Ungewissheit, was ihnen und ihren Liebsten geschehen würde.
Ein leichter Ruck verriet, dass die Treppe an den Ausstieg angedockt hatte.
„Hoffentlich hat Sullivan recht“, murmelte Taylor und Virge wusste genau, was er meinte.
Er fürchtete, dass das Öffnen der Tür eine Sprengladung auslösen könnte. Sullivan hatte mitgeteilt, der Erpresser habe explizit darauf bestanden, die mittlere Passenger-Door zu benutzen. Virge glaubte nicht, dass er beabsichtigte, ausgerechnet unter den Müttern und Kindern ein Blutbad anzurichten.
„Soll ich das für Sie übernehmen?“, fragte er.
Der Mann gäbe ja mal einen prima Helden ab.
Taylor straffte sich und über sein Gesicht zog ein Anflug von verletztem Stolz.
„Sorry, ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten.“ Virgin wich einen Schritt zurück, um seine Zurückhaltung zu demonstrieren. Es fehlte noch, dass ein Gerangel um Zuständigkeiten zwischen der Crew und ihnen entstand. Ihm entgingen weder das tiefe Durchatmen noch die Schweißperlen auf Taylors Schläfen, Zeichen seiner Nervosität, als der Flight-Attendant den Hebel umlegte.
Scheinwerferlicht flutete einen schmalen Bereich der Kabine.
Neben Dix wartete bereits die erste Frau mit einem Baby auf dem Arm im Durchgang zur Business Class. Ein Flugbegleiter stützte sie am Ellbogen.
Virgin beobachtete den Bereich hinter den Wartenden. Ein Mann in Uniform schob sich durch den Gang. Das konnte nur Kapitän Mike Sullivan sein.
Entgegen seiner Erwartung war Sullivan klein, eher von untersetzter Statur, und kein Mann gesetzten Alters, sondern schätzungsweise Mitte dreißig. Als sich der Pilot an den vordersten Frauen vorbeischob, trafen sich ihre Blicke.
Sullivan nickte ihm zu. „Wo sind der Vater und sein Sohn?“
„Sie warten noch in der Economy.“
„Holen Sie die beiden. Sie dürfen ebenfalls das Flugzeug verlassen“, sagte Sullivan an einen der Flugbegleiter gewandt und widmete sich der vordersten Frau. „Ich werde Ihnen helfen, die Treppe hinabzusteigen.“ Sullivan griff nach deren Handgepäck, während sich einer der Flight-Attendants auf den Weg nach hinten begab.
Am Fuß der Treppe warteten zwei Soldaten und zwischen den Fahrzeugen hatte sich eine Schneise gebildet, an deren Ende Sanitäter aufmerksam das Geschehen beobachteten. Die Krankenwagen schienen nicht zum Militär zu gehören.
Virge hatte sich gefragt, was sie tun sollten, kämen die bewaffneten Soldaten auf die Idee, einfach die Stufen hinaufzustürmen und in die Kabine einzudringen, um Quinn und Vanita unter den Passagieren zu suchen und sie gewaltsam hinauszuschleppen. Er begrub den Gedanken so schnell, wie er gekommen war. Zwar machte Virge nirgendwo Presse aus, doch zumindest zählte die Sanitätsmannschaft offenbar zu neutralem Publikum und unter den Augen einer Reihe von Zeugen würde sich wohl keine der Parteien wagen, einen öffentlichen Verstoß gegen die Menschenrechte zu unternehmen und nicht das Risiko eingehen, internationale Proteste hervorzurufen. Bislang verbargen die Streitkräfte ihre wahren Absichten unter dem Deckmantel des Schutzes und sie würden sämtliche Verantwortung für die Situation einem ominösen Attentäter zuschreiben. Die wahren Gründe für den Aufmarsch und die Erpressung würden wahrscheinlich niemals an die Öffentlichkeit gelangen. Garantiert schob man eine
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