Hoehenfieber
ihm recht war, diese Position noch eine Weile beizubehalten, aber als sie seinen ruhigen, gleichmäßigen Herzschlag spürte und seine Fingerspitzen wie ein Flüstern über ihren Nacken glitten, entschied sie, in ihrer Position zu verharren und das Gefühl noch länger auszukosten. Offenbar war es ihm nicht unangenehm, und es brachte ihn auch nicht aus der Ruhe. Das war beruhigend, denn umso mehr verstärkte sich ihr Eindruck, Schutz und Sicherheit in seinen Armen zu finden.
Den Kopf weiterhin an seine breite Brust geschmiegt, hielt sie die Augen geschlossen und versuchte, an nichts zu denken. Leider fiel ihr das nicht leicht, es gelang ihr eher überhau p t nicht. Sie schaffte es zwar, die Gedanken an die Gefahr, in der sie sich befanden, zu verdrängen, aber Bilder der Vergangenheit zogen wie ein Reigen wild tanzender Menschen an ihrem inneren Auge vorbei. Gute wie schlechte Erinnerungen, dabei überwogen die schlechten. Sie versuchte, eine der positiven zu schnappen und sich darin zu vertiefen. Eines der wohl glücklichsten Erlebnisse während ihrer Zeit im Harem bestand in einem der seltenen Urlaube, die der Sheikh mit der Familie gemacht hatte. Quinn schluckte ein bitteres Auflachen hinunter, das von einer Flut gleichzeitiger Negativgefühle hervorgerufen wurde.
Gab es denn keine einzige Begebenheit aus der Vergangenheit, an die sie ausschließlich mit Behagen denken konnte?
In der Regel begleiteten den Sheikh mindestens zwei seiner Ehefrauen, dazu ein halbes Dutzend Konkubinen und einige seiner Kinder. Daneben trat die sechzigköpfige Besatzung seiner Jacht die Reise an. Quinn hatte zum ersten Mal dabei sein dürfen – und mit ihr auch Fadi und Van. Auch für Vanita war es das erste Mal, Fadi hingegen, damals erst knapp fünf, gähnte gelangweilt, wenn er das Wort Jacht nur hörte. Wie hatte sie jubiliert, als sie erfuhr, dass auch Van mitdurfte.
Sie hatten sich eine Kabine geteilt, nur sie beide, obwohl sie nicht einmal Halbschwestern waren, während die Kinder der Konkubinen, die viel eher das Privileg einer der Luxuskabinen hätten genießen dürfen, in einem der Mannschaftsquartiere mit sechszehn Kojen untergebracht worden waren. Nur sehr, sehr selten hatte Quinn ein gutes Gefühl dabei verspürt, eine höhere Stellung einzunehmen als andere. Damals war sie ohnehin noch viel zu jung gewesen, und sie hatte sich um den unermesslichen Reichtum, in dem sie aufwuchs, zu diesem Zeitpunkt noch keine Gedanken gemacht. Erst als sie älter wurde, vermutlich mit elf oder zwölf, gelangte sie an den Punkt, selbst den Regen zu verabscheuen, der ihr im Harem vorkam, als fiele er vergoldet vom Himmel. Nicht, weil es in Dubai nur selten regnete, sondern weil ihr zu diesem Zeitpunkt bereits das Leben in der Gemeinschaft so verhasst war, dass sie einfach alles nur noch hasste.
Mit neun hingegen hatte sie diesen Urlaub genossen. Sie hatten den Golf von Oman verlassen, waren am Rand des Arabischen Meeres nahe der Küste entlanggezogen, um dann durch das Rote Meer, den Golf von Suez und schließlich durch den Suezkanal ins Mittelmeer zu stoßen. Sie hatten vor der Küste Zyperns einige Tage verbracht und einen Ausflug auf die Insel unternommen, steuerten danach einige griechische Inseln an und gelangten schließlich ins Adriatische Meer, wo sie eine Woche lang vor Kroatiens Stränden ankerten.
Einer der Schiffsoffiziere hatte sich besonders um Van und sie gekümmert. Wenn der Sheikh die Erlaubnis erteilte, die zahlreichen Wassersportgeräte wie Jetskis, Wakeboards oder Motorboote zu benutzen, dann hatte der Offizier Van und sie beiseitegenommen. Er musste mitbekommen haben, dass sie mit den meisten der anderen Kinder nicht zurechtkamen und von ihnen ausgegrenzt wurden. So hatte er den Alleinunterhalter gespielt, eigens für sie beide eine „Banane“ an ein Motorboot angehängt und sie in wilden Kreisen Runde um Runde um die Jacht gezogen, bis Quinn vom Lachen und Kreischen die Ohren dröhnten. Yael, so hieß der junge Mann, hatte mit ihnen in Begleitung von Hira einen Ausflug in die Nähe der Insel Mljet unternommen. Vor der nördlichen Küste tollten Delfine im Wasser. Mit dem Boot hatten sie sich den Tieren ganz langsam genähert, und waren neugierig in Augenschein genommen worden. Die Delfine zeigten keine Scheu. Nachdem sie sich an das Boot gewöhnt hatten, ignorierten sie es einfach. Bis auf einen, der sie immer wieder gezielt umkreiste. Schließlich ließ sich Yael ins Wasser gleiten und forderte Van und sie
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