Hoehenrausch und Atemnot - Mein Weg auf den Kilimandscharo
Kurzkonferenzen unser Programm diktieren werden. Jeder von uns wird »zugeplant«; für individuelle Neugier ist da nur wenig, eigentlich gar kein Platz.
Also dann mal los mit unserer Spontaneität. Auf dem Weg zwischen Moshi und dem inzwischen zu unserer zweiten Heimat gewordenen Marangu entsteht die Idee, einen kleinen Abstecher zu machen. Er soll uns in das Gebiet am Rande der Usambara-Berge führen, eine hochgepriesene Landschaftsidylle. Ein ganzes Stück geht die Wegstrecke durch das Stammesgebiet der Massai. Alle stimmen sofort zu, für ein paar Stunden nicht mit den Augen des Fernsehmachers, sondern als »normale« Touristen die Landschaft zu bewundern. Die Strecke hinter Moshi wird immer eintöniger, das Steppenland fängt an, und an einem staubigen kleinen Kiosk am Rande der Straße machen
wir halt. Wir bewundern die immer noch sehr weit von uns entfernten Usambara-Berge. Doch kaum sind wir ausgestiegen, werden wir schon von zwei Dutzend Kindern umringt, die von irgendwoher aus der endlosen Staubsteppe auftauchen. Neugierig, verschämt lachend reagieren die 4- bis 10-Jährigen auf diesen unerwarteten weißen Besuch an ihrem Kiosk.
Luftballons und Süßigkeiten
Vier, fünf Meter groß ist zunächst der Abstand zwischen den Kindern und uns. Schrittchen für Schrittchen trauen sie sich näher heran, alle sind barfuß und haben Staub an Füßen und Beinen. Wir, die überraschten Touristen, wissen nicht, ob ein solcher Besuch an diesem Kiosk im Straßenstaub vielleicht immer wieder einmal vorkommt. So warten wir erst einmal ab und sehen, was sich daraus entwickelt.
Wir haben nichts dabei, was wir verschenken könnten, außer ein paar bunten Luftballons und ein paar Kugelschreibern mit ARD-Aufdruck. Erst einmal herrscht Ratlosigkeit: kleine Geschenke in der Staubwüste? Geld vielleicht? Nein, dieser Gedanke wird sofort verworfen. Doch wenn wir Glück haben und jemanden finden, der das verstaubte Fenster an der kleinen Kioskbude aufmacht, könnten wir ein paar Süßigkeiten kaufen.
Unser TV-Team in action: Wir klopfen vorn und hinten am Kiosk, ein Gesicht taucht hinter der blinden Glasscheibe auf. Kaugummi - ja, den gibt es, dazu noch Bonbons. Ich glaube, wir kaufen den kleinen Kiosk in ein paar Minuten fast bonbon-leer.
Die Massai-Kinder spüren, dass es um sie geht, dass es für sie eine Überraschung gibt. Wie wohl überall auf der Welt folgt heftiges Geschubse, die Stärkeren wollen die Kleinen wegdrücken. Ziemlich bösartig versucht jeder, seinen Platz zu verteidigen. 25 bis 30 Massai-Kinder sind es inzwischen geworden; dass da ein paar Weiße am Kiosk angekommen sind, hat sich schnell herumgesprochen.
Da stehen sie jetzt vor uns, barfuß und verstaubt, und stellen sich sogar in einer Reihe auf, die Großen natürlich vor den Kleinen. Bunte ARD-Luftballons werden aufgeblasen. Irgendwo links von uns, in den Wolken versteckt, muss der Kili liegen - und mittendrin im Staub, im Kindergeschrei wir, die Weißen aus dem Fernsehland der ARD.
Wir haben unsere Geschenke verteilt, und genauso plötzlich, wie sie gekommen sind, verschwinden die Kinder wieder in der Gluthitze der Steppe. Übrig bleibt der kleine graue Kiosk am Straßenrand, übrig bleiben wir mit unseren Fotoapparaten, denn eigentlich wollten wir ja die Usambara-Berge fotografieren. Wir steigen in das Auto und fahren nach Marangu zurück. Was wir in den vergangenen Minuten gefühlt haben, behält jeder für sich. Momentaufnahmen eines Afrika-Klischees, einer endlosen Landschaft, mit viel Armut und fröhlichen Kindergesichtern. Eine nur minutenlange Begegnung mit einem Stück Tansania abseits des Touri-Programms.
Kapitel 7
Der Berg fordert auch Opfer
»Sind es jedes Jahr zehn, zwanzig oder dreißig Menschen, die auf dem Kilimandscharo sterben?«
Bei welchem Gespräch in Tansania unser Rätselraten darüber angefangen hat, wie viele Opfer der Kili-Tourismus jedes Jahr fordert, weiß ich heute nicht mehr. Ziemlich rasch gelingt es mir, halbwegs gesicherte Angaben über die Zahl der ausländischen Bergwanderer zu bekommen: abgestürzt, durch Unterkühlung in einem Schneesturm umgekommen oder - die häufigste Todesursache - an einem Hirn- oder Lungenödem gestorben, ausgelöst durch die berüchtigte Höhenkrankheit AMS
(Acute Mountain Sickness). Die Höhenkrankheit tritt bei einem zu raschen Aufstieg unter dem gesunkenen atmosphärischen Druck in einer Höhenlage ab 2500 Metern auf. Etwa fünf bis zehn ausländische Bergwanderer sind es pro Jahr,
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