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Hoehenrausch und Atemnot - Mein Weg auf den Kilimandscharo

Titel: Hoehenrausch und Atemnot - Mein Weg auf den Kilimandscharo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Kaul
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Schweigen, Warten, Erklären auf Englisch, Kisuaheli und Deutsch fängt Anna ganz vorsichtig und mit langen Pausen an, uns etwas über die letzten Stunden, über den Tod ihres Sohnes am Berg zu erzählen.
    Sechs Jahre sind es jetzt her, seit der damals 18 Jahre alte Freddie, ein Träger am Kili, ein paar Gepäckstücke vom Marangu Gate zur Horombo-Hütte bringen sollte: von 1800 auf 3700 Meter hinauf. Und weil es noch früh am Vormittag war, wollte er danach gleich wieder zurückkommen. Es wurde Abend, die Mutter wartete vergeblich auf ihren Sohn, geriet aber nicht in Panik. Vielleicht hatte er noch einen Auftrag bekommen, vielleicht war auch das Wetter am Berg auf 3700 Meter schlechter geworden, sie würde sicher bald etwas von ihm hören. Auch am nächsten Tag wartete sie auf Freddie, bis sie von einem anderen Träger die Nachricht bekam: Anna, Freddie wird nicht mehr kommen, er ist tot. Er hatte einen Schwächeanfall nicht sehr weit unterhalb der Horombo-Hütte erlitten, da war nichts mehr zu machen.

Trägerschicksal am Kili
    Bis heute hat Anna noch nicht einmal erfahren, ob ein Wetterumschwung mit plötzlichem Schneefall mitverantwortlich war, wer ihm noch helfen wollte, wie die letzten Minuten seines
Lebens aussahen: »Ich weiß es nicht«, flüstert sie unter Tränen. Man hat ihn dann hergebracht, ein paar Meter von ihrer Hütte entfernt, hinter den Bananenstauden und unter einem Baum liegt sein Grab. Freddies Foto zeigt einen fröhlich dreinblickenden Jungen, die Mutter deutet liebevoll mit der Hand darauf und sagt, es sei ganz wichtig, dass er und sein kurzes Leben nicht vergessen würden. Freddie, der für alle Bergtouristen, die heute auf den Kili gehen, ein unbekannter Träger bleiben wird. Denn an der Stelle, an der er beim Abstieg von der Horombo-Hütte starb, gehen die Fremden achtlos vorbei: Nur ein kleiner Steinhaufen, ein paar vertrocknete Zweige an einer Wegbiegung erinnern an sein Ende.
    Als wir von seiner Mutter noch wissen wollen, was sie denn bis heute über seinen Tod, die Gründe für seinen Tod erfahren hat, was man ihr damals gesagt hat, hören wir aus ihrer Antwort viel Bitterkeit heraus. Nichts habe sie erfahren, das sei eben Trägerschicksal am Kili - mehr nicht.
    Nachdem wir uns von Anna verabschiedet haben, gehen wir mit unserem Guide Jesaia langsam zum Marangu Gate zurück. Von hier aus startete vor sechs Jahren auch Freddie, der 18-jährige Träger. Schweigend legen wir die kurze Wegstrecke nebeneinander zurück, keiner will nach diesem Erlebnis noch weiterreden.

Kapitel 8
    Abenteuer Kilimandscharo
    Warum man sich für Live-Reportagen aus 5800 Meter Höhe den Zuspruch der Götter erhoffen muss

    Ohne die Hilfe der Kili-Götter wird es nicht gehen - das ist meine feste Überzeugung, als ich in Deutschland das erste Mal das sieben Seiten dicke Dispositionspapier, doppelseitig beschrieben, in der Hand halte. Nachdenken, Zweifel, ob für die nächsten Tage alles enthalten ist, was für eine 100-Minuten-Live-Berichterstattung im ARD-Morgenmagazin und eine 30-Minuten-Reportage für den WDR die Basis liefert. »Abenteuer Kilimandscharo« hat eine kundige Produktionskollegin in
Köln als Titel für die sieben Seiten Dispo gewählt. Und die Fallstricke, die eine Reisereportage über eine 14-köpfige Gruppe aus Deutschland zum Abenteuer machen, sind in der Tat nicht zu übersehen.
    Über Wochen hinweg wurde analysiert, ob wir am Kili-Gipfel einen Punkt finden, den die Bergwandergruppe ersteigen kann und von dem es eine Richtfunkverbindung zur Sendestation auf 3700 Meter Höhe gibt. Die Gesprächstermine mit Vertretern der tansanischen Regierung und der für den Kili zuständigen Nationalparkverwaltung häuften sich, und hätten wir nicht von Beginn an auf die Unterstützung durch den deutschen Generalkonsul Jürgen Gotthardt zählen können, hätten wir unseren Plan schon bald frustriert aufgegeben.
    Doch danach stand schon bald die Entscheidung an, welche der möglichen Kili-Aufstiegsrouten für unser Team mit knapp einer Tonne technischer Ausrüstung überhaupt realistisch wäre. Klar war, dass wir ohne die Hilfe vieler tansanischer Träger den Weg zwischen 1800 und 5800 Meter Höhe nicht antreten könnten. Klar war auch, dass wir bei der Auswahl der möglichen Routen zum Kili-Gipfel auf Zustand und Zusammensetzung der 14-köpfigen Bergwandergruppe Rücksicht nehmen müssten: Wie alt, wie erfahren und wie belastbar sind die vom Leiter der Gruppe Hubert Schwarz ausgesuchten und

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