Hoehenrausch und Atemnot - Mein Weg auf den Kilimandscharo
Anschlag sind. Selbst die Kraft, um in dieser Höhe Freude zu äußern, erscheint jetzt eng begrenzt. Klaus, Roland, Titus: Ihr lieben Mitwanderer, was ist an dieser Stelle in diesen Minuten mit uns passiert, wer hat hier noch das Sagen, das Entscheiden? Wir selbst, das spüre ich von Minute zu Minute mehr, nur noch höchst eingeschränkt.
Kapitel 17
Landschaft aus Licht und Eis
»Wir kennen Dich, Gott, Häuptling, Erhalter... Dich, der Du die Menschen losreißt, dass sie leben. Wir preisen Dich, wir beten zu Dir, wir liegen vor Dir...« Aus einem Gebet des Chagga-Stammes, zu Ehren der Sonne, dem Kilimandscharo zugewandt
Die Sonne steht mittlerweile schon hoch über uns. Trotz unserer Sonnenbrillen können wir unsere Umgebung, die weiße Traumlandschaft aus Schnee und Eis um uns herum, nur blinzelnd erkennen. Im Schnee und Eis der Gipfelzone überstrahlt das Sonnenlicht einfach alles.
Von weiter unten bewegen sich über eine andere Gipfelroute ganz langsam einige Bergwanderer auf uns zu. Woher sie kommen, wie es ihnen unterwegs ergangen ist und wer sie sind, erfahren wir nicht. So sehr ist auf dem Bergplateau jeder mit sich, dem eigenen Atmen und damit beschäftigt, sich umzusehen. Und das alles möglichst ohne dabei allzu viele Schritte zu tun. Kräftesparen ist angesagt.
Die unbekannte Gruppe macht ein paar Fotos und hält sich nur einige Minuten auf dem Gipfel auf, dann verschwindet sie schon wieder auf dem Weg nach unten. Auch die ersten unserer deutschen Mitwanderer verabschieden sich jetzt von uns, sie wollen nicht länger die extremen Sauerstoffbedingungen hier oben ertragen. Thomas hat seinen Heiratsantrag via TV nach Deutschland gesendet, die mitgebrachte Vereinsfahne eines Mitwanderers bleibt unausgepackt.
Titus drängt, er will jetzt unbedingt weiter zum Uhuru Peak, um sich dort mit seinem Skateboard ein wenig an seine Jugend zurückzuerinnern. Auch wenn er es selbst heftig abstreitet, will der bald Sechzigjährige mit seinem Skateboardtrick von damals etwas Jugendmythos in die Zeit von heute mitnehmen. Am Stella Point beteuert er nochmals, auch ins Guinnessbuch der Rekorde zu wollen. Titus verschwindet in Begleitung unserer Führerin Debbie, einer Videokamera und seinem aus dem Rucksack herausragenden Skateboard in Richtung Uhuru Peak.
Wir sehen uns um: Hubert und Remidy sind noch bei uns, ebenso drei oder vier Wanderer aus unserer Gruppe und die tansanischen Träger, die sich vor dem heftigen, eiskalten Wind hinter einige Felsvorsprünge ducken. Zwei Kamerastative, die
Minifunkstation, einige Kabel - und dazwischen, mitten in dieser unwirklichen Landschaft aus Licht, Eis und Höhe, wir fünf vom Fernsehen.
Zwei Stunden sollen und wollen wir für die geplanten weiteren Live-Schaltungen nach Deutschland noch hier oben bleiben. Was das bedeutet, erahnt in diesem Augenblick niemand von uns. Viel zu überwältigt sind wir von unserer Umgebung, viel zu geschafft vom Aufstieg, den Luftproblemen, der eigenen Kraftlosigkeit. Wir können uns kaum vorstellen, was ein längeres Verharren an diesem Platz zwischen Himmel und Eis für uns bedeuten wird. Nach zehn, zwanzig Minuten sind wir fast alle so geschafft, dass wir mit schleppenden Schritten auf das Ding zugehen, das uns als Erstes zumindest Schutz vor dem Wind und den minus fünfzehn Grad verspricht.
Mitten auf der bizarren Fläche des Stella Point steht ein kleines, gelbbraunes Vier-Mann-Zelt. Ich lasse mich auf das Segeltuch auf dem Boden im Zeltinneren mehr fallen, als dass ich mich noch irgendwie planvoll hinlege. Doch nun liege ich; der Kopf schwirrt, und ich bilde mir ein: Gleich wird alles gut, gleich wird mir Luft in normaler Zusammensetzung wieder neue Kraft geben. Die Vorstellung ist wunderbar - auch wenn sie nur die ersten paar Minuten anhält. Als Nächstes sehe ich meinen TV-Genossen Philip an der Zeltöffnung, kaputt und mit heftigen Kopfschmerzen: »Hast du irgendwas, das jetzt helfen kann, irgendwas?« Ich fange an, die doppelten Handschuhe auszuziehen, mühsam in meinem Rucksack unter der Thermoskanne und den Powerriegeln zu wühlen. Ich suche mein kleines Päckchen mit der Reiseapotheke. Zwei Kopfschmerztabletten
für Philip, ein Schluck Tee, und bei uns beiden die felsenfeste Erwartung, dass es ihm ganz rasch wieder besser gehen wird. Wie zwei Kinder glauben wir fest daran, dass es so sein soll... und es wird so!
Ort der Zuflucht
Die Götter des Kili, bei denen wir zu Gast sind, haben gespürt und erhört, was in diesen
Weitere Kostenlose Bücher