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Hoehenrausch und Atemnot - Mein Weg auf den Kilimandscharo

Titel: Hoehenrausch und Atemnot - Mein Weg auf den Kilimandscharo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Kaul
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wie ein Auslaufen nach dem gnadenlosen Aufwärts des zurückliegenden Teils der Etappe.
    Was ich an Kraft inzwischen verloren habe, was jeder noch so kleine Schritt in dieser Höhe bedeutet, merke ich erst, als wir am Stella Point ankommen. Vor uns eine weite Hochfläche, über uns ein inzwischen blauer Himmel und strahlende Sonne. Allerdings wärmt sie nicht - es ist eisig kalt, bei dem heftigen Wind muss man die Augen zukneifen. Um uns herum Eiskristalle, ein Ausblick auf nicht enden wollende Eisfelder: die Gletscherzone im gleißenden Licht, Eis und Schnee in endlosen Dimensionen, wie zu einem großen Kunstwerk arrangiert.
    Aus unserem Reiseführer haben wir zwar die Warnung abgespeichert, dass der Sauerstoffgehalt der Luft in dieser Höhe nur noch die Hälfte des Wertes erreicht, den er an der tansanischen Küste hat; doch was das für unseren Aufenthalt am Stella Point konkret bedeutet, erfahren wir von Minute zu Minute einprägsamer.

Die Leitung steht!
    Mit aufopfernder Hilfe durch die einheimischen Träger wird Stück für Stück die Kameraausrüstung ausgepackt; sie haben die erhoffte TV-Live-Premiere längst zu ihrer Sache gemacht. Jetzt wird für die erste der vorgesehenen Live-Schaltungen zur ARD nach Köln aufgebaut, doch eigentlich sind wir alle nur noch aufgeregt und nervös. Wird die technisch sauber vorgeplante
Funkverbindung von hier oben zur Satellitenstation unserer Kollegen auf der 3700 Meter hoch gelegenen Horombo-Hütte funktionieren? Hubert Schwarz, der die ganze Vorplanung miterlebt und mitgetragen hat, wird jetzt ebenfalls nervös. Ja, er hat es geschafft, dass »seine« Wandergruppe hier oben angekommen ist - auch wenn vier davon beim letzten Anstieg nicht mehr dabei sein konnten.
    Aber warum bekommen diese Hightech-Fernsehmenschen es jetzt immer noch nicht hin, das heiß ersehnte Zeichen - nämlich dass die Verbindung nach Deutschland steht - auf ihre Monitore zu kriegen? So bleibt nichts als warten, warten auf diesen Kontakt, auf die ersten Worte zwischen dem Stella Point, der Horombo-Hütte und dem Kölner TV-Sendestudio. Ein kleines grünes Blinksignal am Funkgerät bringt die Erlösung: Wir können die Stimmen der Kollegen auf 3700 Metern und die Stimmen der Kollegen aus dem ARD-Morgenmagazin hören! Sekunden später folgt die Ernüchterung: Wir hören Köln, aber Köln hört uns nicht. War alles umsonst, scheitert in diesen Minuten das ganze ehrgeizige Live-Projekt? Hubert Schwarz ist genervt, wird bissig: »Was ist denn jetzt bei euch?«
    Meine Technikkollegen arbeiten angespannt, aber ruhig. Philip und ich sehen uns schon den Punkt an, der für eine erste Live-Schaltung als Standort infrage kommt, nur einige Meter von den Kameras entfernt. Unsere Wandergruppe aus Deutschland - oder der Teil von ihr, der trotz Kälte und Atemnot noch hier aushält - wartet und zittert mit. Endlich! Ein paar Minuten später der erlösende Schrei: »Köln kann uns hören! Sie hören uns - wir können gleich anfangen!«

    Atemnot hin oder her: Jan, Christian und Axel könnte ich in diesem Augenblick knutschen, ebenso wie die einheimischen Träger, die Bergwanderer, unsere Führer Hubert Schwarz, Debbie und Remidy - es klappt, es wird gleich losgehen!

Wie in Trance
    Was ich dann schließlich in den nächsten Minuten aus dieser Höhe von 5685 Metern sage, keuchend und kurzatmig, was ich die Menschen, die mit uns zusammen hier angekommen sind, frage - ich erfahre es erst nach unserer Rückkehr nach Deutschland.
    Denn alles, was jetzt hier in dieser für uns so extremen Höhe geschieht, passiert wie in Trance. Zu wenig sind unsere Körper auf Leben und Arbeiten in dieser Höhe eingerichtet; das Artikulieren jedes Wortes, jedes Satzes kostet Kraft, kostet etwas von der kostbaren Atemluft.
    Wie durch einen Vorhang erlebe ich den gesammelten Jubel unserer Mitwanderer vor der Kamera, ihr mehrmals wiederholtes: »Johannes, wir haben es geschafft, wir haben es geschafft - und jetzt hier zu sein, das ist das Geilste, was ich bisher erlebt habe!« Das höre ich von Isabel, der Ärztin, die die Gruppe mitbetreut. »... Und das an meinem fünfzigsten Geburtstag zu erleben! Das ist der größte Wunsch, der jetzt für mich in Erfüllung geht...«. Auch das höre ich und blicke in ziemlich geschaffte, aber glückliche Gesichter. Wir feiern und jubeln, denn wir sind hier oben.

    Doch kaum ist unsere Live-Schaltung zu Ende, verfliegt einiges an Leben, Kraft und Freude aus den Gesichtern. Alle spüren, dass wir hier am

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