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Hoehepunkte der Antike

Titel: Hoehepunkte der Antike Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Brodersen
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herden nur für den Eigenbedarf gehalten haben. Wie noch
     bis weit ins 19. Jahrhundert hinein wurde wohl in fast jedem Haushalt gewebt, wenn nicht von der Herrin, so doch von den Sklavinnen,
     obwohl in Pompeji keine Webstühle erhalten blieben.
     
     
    |197| Unglückliche Bewohner
     
    Bei der Funktion des Wirtschaftstraktes als Umschlagplatz landwirtschaftlicher Produkte überraschen die zahlreichen Vorratsräume
     (17, 17a und b, 21–27) nicht. In den darüber liegenden Räumen des ersten Stockes dürfte die Dienerschaft geschlafen haben,
     ausgenommen der Prokurator Quintus Poppaeus Eros. Ihm stand ein eigener Schlafraum (28) zur Verfügung. Das angrenzende Atrium
     (29), die große Küche, ein Innenhof mit Herd, Dreifuß, Rost und Mühle und eine Latrine wurde gemeinschaftlich genutzt. An
     der Feuerstelle stieß man noch auf die verkohlten Reste der letzten Mahlzeit.
    Der Prokurator wurde, durch einen Ring identifiziert, in seinem Schlafzimmer (28) gefunden, wo er sich unter die Kissen seines
     luxuriösen Bettes verkrochen hatte. Im gleichen Raum lag ein kleines Mädchen. An den Wänden hingen landwirtschaftliche Geräte,
     darunter allein 15 verschiedene Rebmesser. Sie waren ihm offenbar so kostbar, dass er sie in seinem persönlichsten Raum auf
     bewahrte, bevor er sie zur Arbeit ausgab. Am Fußende seines Bettes hatte Eros sein Barvermögen versteckt: Münzen im Wert von
     527 Sesterzen. Die eigene Wohnung, das Ersparte und der bescheidene Luxus sprechen für seinen gehobenen Status innerhalb der
     Dienerschaft.
    Der Prokurator lenkt unseren Blick auf die weiteren Personen, die während der Katastrophe im Haus zurückgeblieben waren. Der
     herrschaftlichen Familie und wohl auch einigen Haussklaven war offenbar die Flucht geglückt, wenn sie wegen der Bauarbeiten
     überhaupt im Hause geweilt hatten. Im Stall wurde nur das Skelett eines angeketteten Hundes gefunden.
    Im Obergeschoss des Bedienstetentraktes hatten zehn Männer ausgeharrt. Erst als die Lapilli-Schicht im kleinen Atrium des
     Prokurators 2,5 Meter Höhe erreicht hatte, entschlossen sie sich zur Flucht. Der Lapilli-Regen hatte ja scheinbar nachgelassen.
     Alle zehn wurden von der vierten pyroklastischen Welle erfasst und starben zwischen Treppe und Tür. Ihre Besitztümer bestanden
     aus wenigen Münzen, etwas Eisenschmuck, einem Schlüssel und einem Haken. Der Anführer trug eine Bronzelampe. Früher als die
     Zehn hatten zwei Schmuck tragende Frauen mit einem Kind den umgekehrten Weg versucht, indem sie in das Obergeschoss bei den
     Ställen stiegen, um sich zu retten. Sie wurden |198| vom einstürzenden Dach erschlagen. Zwei Männer, eine Frau und ein Junge mit einer blauen Glasperlenkette ereilte der Tod in
     Raum (20). Sie hatten versucht, sich mit einer Hacke einen Weg zu bahnen, als die Glutwelle sie erfasste. Schließlich ist
     noch eine Gruppe von zwölf Männern zu nennen, die nach der Katastrophe ins Haus eingedrungen waren, ein Loch zum großen
triclinium
(5) geschlagen hatten und verschüttet wurden. Vielleicht hatten sie im Auftrag ihres Herrn nach dem Silberschatz gesucht,
     vielleicht waren es aber auch Plünderer.
    Insgesamt starben also 19 Menschen während der Katastrophe; ihre Verteilung über das Haus lassen den Schluss zu, dass es sich
     um verschiedene Gruppen innerhalb der
familia
handelte. Man unterschied nämlich Haussklaven (
familia urbana
) und Landsklaven (
familia rustica
). Bei den vier Personen, die im Bereich des Peristyls gefunden wurden, könnte es sich um eine ,Hausmeisterfamilie‘ gehandelt
     haben. Sklavenbesitzer ließen eheähnliche Verbindungen durchaus zu, weil die Kinder aus einem solchen
contubernium
ebenfalls zu ihren Sklaven wurden. Hausgeborene Sklaven galten in der Unfreienhierarchie mehr als gekaufte. Oft wurden sie
     mit den Kindern der Herrenfamilie ausgebildet und hatten ausgezeichnete Freilassungschancen. Dass nicht mehr Haussklaven anwesend
     waren, erklärt sich aus der Abwesenheit des Herrn oder der Flucht.
    Zur
familia rustica
zählen die zehn Männer, die aus dem Obergeschoss des Bedienstetentraktes kamen. Dafür spricht ihre Armut. Für solche Sklaven
     waren die Freilassungschancen sehr gering. Vermutlich haben sie auf einem nahe gelegenen Landgut gearbeitet oder bei den Bauarbeiten
     geholfen.
    Die besondere Stellung des Prokurators wurde schon betont. Er hatte es als Freigelassener zu einem ansehnlichen Vermögen gebracht
     – immerhin rund ein Drittel der Summe seines Herrn –

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