Hoehepunkte der Antike
Regierungsorgan der Demokratie, dort fanden die zahlreichen Gerichtsverhandlungen statt, die die Zeitgenossen
später als das Kernstück des demokratischen Lebens in Athen betrachteten.
Es war den Athenern sicher nicht angenehm, dass sie ihre Tyrannen nicht aus eigener Kraft verjagt hatten, sondern vielmehr
erst die Spartaner zu Hilfe kommen mussten, um dies zu vollbringen. Ein romantisches Liebespaar, unglücklich und grausam ermordet,
befriedigte demgegenüber die antike Sehnsucht nach Helden, nach heroischem Mut, und so kamen Harmodios und Aristogeiton den
Athenern sehr zupass. Überhaupt ist die athenische Geschichte in der Epoche ihrer Höhepunkte – gemeinhin Klassik genannt –
erstaunlich voll von unglücklichen Helden. Es sind die großen Figuren, die erfolgreichen Feldherren und Politiker, die stürzen,
die zu Verrätern und Abtrünnigen werden und sich mit dieser Ambivalenz durch die Geschichten und Geschichtsbücher quälen:
Kleisthenes, der große Reformer, sehr schnell von der politischen Bühne verschwunden, vielleicht sogar ein Kollaborateur des
persischen Feindes. Miltiades, Retter der Athener in der Schlacht bei Marathon, stirbt elendiglich in einem attischen Kerker.
Themistokles, der mit Genie und List bei Salamis nicht nur das Volk von Athen, sondern alle Griechen vor der barbarischen
Knechtschaft bewahrt hatte, wird als vogelfreier Verräter von seinen Mitbürgern durch ganz Griechenland gejagt, bis er bei
dem persischen Erzfeind wohlwollende Aufnahme findet. Themistokles, Aristeides, Perikles, Alkibiades – früher oder später
sind alle diese glanzvollen Herren von ihren Feinden und Neidern, am Ende aber doch vor allem von der breiten Masse des attischen
Volkes in der Volksversammlung und vor Gerichten als Verräter und Betrüger verurteilt und verbannt worden.
|41| Trotzdem treten gerade sie als die Protagonisten in unseren Quellen auf, die die attischen Bürger aus einer aristokratisch
geprägten Lebenswelt in die Demokratie, die Herrschaft des Volkes, führen. Am Anfang gab es alles andere als die Aussicht
auf Erfolg: Sparta lauerte auf der einen Seite, die Perser auf der anderen. Die Schnelligkeit war damals wie heute in der
Rückschau der Historiker atemberaubend: Vom Sturz der Tyrannis bis zur unumschränkten Herrschaft der Athener in und um die
gesamte Ägäis, von den ersten Schritten der Demokratie bis zur voll entwickelten Herrschaft der Masse vergingen gerade einmal
fünfzig Jahre!
Die eigentlichen Umwälzungen, die Athen so nachhaltig veränderten, begannen erst in den Jahren, als die Spartaner die Tyrannen
zum Abzug aus Athen gezwungen hatten und anfingen, sich in Athen festzusetzen. Der Kopf der Reformen war Kleisthenes, ein
Adliger aus der uralten Familie der Alkmeoniden, einer der ältesten attischen Adelsfamilien. Diese Familie hatte seit dem
6. Jahrhundert v. Chr. immer wieder die Geschicke Athens bestimmt und auch Kleisthenes selbst hatte schon lange eine maßgebliche
Rolle in Athen gespielt, sei es in Kooperation mit den Tyrannen, sei in Gegnerschaft zu ihnen. Er hatte die Spartaner zu ihren
Aktionen veranlasst und versuchte nun, seine Führerschaft in Athen fest zu etablieren. Dies gelang ihm nicht, er unterlag
bei der Wahl zum höchsten Amt, dem Archontat, einem adligen Mitbewerber, dem ansonsten völlig unbekannten Isagoras. In diesem
Moment wird ein entscheidender Wendepunkt in der athenischen Geschichte sichtbar: Kleisthenes hat diese Niederlage nicht hingenommen,
sondern – wie es in den Quellen heißt – sich mit dem attischen Volk verbündet. Das politische Programm, das er in dieser Auseinandersetzung
präsentierte und das in den folgenden Jahren zügig realisiert wurde, war die so genannte Kleisthenische Phylenreform.
Isagoras versuchte offensichtlich eine Art elitärer Adelsherrschaft einzurichten mit einer Begrenzung aller politischen Privilegien
auf 300 seiner Anhänger. Die Tendenz dieser Politik wurde besonders deutlich, als Isagoras sich während der Auseinandersetzung
zusammen mit den Spartanern auf der Akropolis verschanzte und in bewährter Manier versuchte, wie die Tyrannen sein Regime
von dieser Burgfestung aus aufrechtzuerhalten.
|42| Die Reform des Kleisthenes
Es war Kleisthenes, der, nachdem er in dem politischen Wettkampf schon unterlegen war, die überaus folgenreiche Wendung in
seiner Politik vollzog. Er versuchte mit einer neuen Konzeption das Volk von Athen im
Weitere Kostenlose Bücher