Hoehepunkte der Antike
waren, aber dennoch als zuverlässig galten.
Obgleich sich das Orakel von Delphi als wankelmütig erwiesen hatte, kann von einem Vertrauensverlust – wie bisweilen in der
Forschung zu lesen ist – keine Rede sein. Erstens wurde Delphi in der Zeit danach häufig befragt. Zweitens hatte Delphi am
Beginn der Konflikte die Meinung der Mehrheit der Griechen repräsentiert, da sich nur ein geringer Teil der Griechen gegen
die Perser verschworen hatte. Drittens stellten die Sieger nach dem Krieg Weihgeschenke in Delphi auf. Dem athenischen Feldherrn
Themistokles, der bald nach dem Krieg auf die persische Seite wechselte, soll das Orakel verboten haben, ein Weihgeschenk
aus der Beute von der Schlacht bei Salamis in Delphi aufzustellen (Pausanias 10,14). Nach der Schlacht bei Plataiai nahmen
die verbündeten Griechen den zehnten Teil der Beute, ließen daraus einen goldenen Dreifuß auf einer erzenen Schlangensäule
schmieden und stellten das Werk als Dank an Apollon in Delphi auf. Allerdings wurde das Denkmal gleich zu Beginn missbraucht.
Der spartanische König Pausanias (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Schriftsteller) ließ eine eigenartige Inschrift
auf das Weihgeschenk eingravieren:
Der Heerführer der Hellenen, der das Heer der Meder vernichtete,
Pausanias hat dem Phoibos das Denkmal errichtet.
(Thukydides 1,132)
Pausanias reklamierte den Ruhm für sich allein, ein klarer Affront gegen die anderen Griechen, die ebenfalls gegen die Perser
– bisweilen auch Meder genannt – gekämpft hatten. Nach dem Sturz des Pausanias ließen die Spartaner die Inschrift tilgen und
stattdessen die Namen aller mitkämpfenden Städte eintragen. Mehr als 600 Jahre später ließ Kaiser Konstantin die Säule in
seine 324 n. Chr. neu gegründete Hauptstadt Konstantinopolis transportieren. Doch nicht nur die Sieger sollten in Delphi präsent
sein. So besagt der Eid der Hellenen, die sich 480 |37| v. Chr. gegen die Perser verschworen, dass diejenigen griechischen Gemeinwesen, die sich ohne Not den Persern ergeben hatten,
an den delphischen Apollon den Zehnten entrichten sollten (Herodot 7,132). Damit wäre die Buße für den Verrat an der Sache
der Griechen an einen neutralen Ort, nicht an einen der führenden Staaten wie Sparta oder Athen, zu leisten gewesen. Ob diese
Strafgelder allerdings je bezahlt wurden, ist nicht festzustellen. Viertens kursierte nach den Perserkriegen eine Erzählung,
welche die Verteidigung Delphis durch Apollon selbst propagieren sollte. Als im Jahr 480 v. Chr. ein persischer Stoßtrupp
Delphi erreichte, um das für seine Schätze berühmte Heiligtum zu plündern, sollen sich laut Herodot unerhörte Dinge ereignet
haben. Blitze zuckten auf die Perser herab, zwei Bergspitzen des Parnassos fielen in die Tiefe, stürzten mit mächtigem Getöse
auf die frevlerischen Angreifer und erschlugen viele von ihnen. Die Perser gaben auf und zogen ab. Man sah in den Vorgängen
das Eingreifen Apollons, der es nicht zuließ, dass sein Heiligtum von den Persern beraubt wurde (Herodot 8,36f.). Unklar ist
allerdings, ob die Perser wirklich Delphi plündern wollten, oder ob diese Episode konstruiert wurde, um Delphi als treuen
Verbündeten der griechischen Sache gegen die Perser auszuweisen. In Delphi jedenfalls sah man sich als Opfer der Perser und
bedankte sich bei Apollon mit einem Denkmal für den Schutz (Diodor 11,14).
Ein kurzer historischer Abriss
Aus der Geschichte Delphis sind die folgenden Punkte hervorzuheben: Im so genannten 1. Heiligen Krieg, über den unsere Quellen
nur spärlich fließen, befreiten um 591 v. Chr. die verbündeten Athener, Thessaler und Sikyonier Delphi; die Hafenstadt Kirrha,
in der die Pilger auf dem Weg nach Delphi landeten, hatten sich Übergriffe gegen die Reisenden zuschulden kommen lassen und
wurden streng bestraft. Als 2. Heiliger Krieg firmiert eine Aktion der Spartaner, welche 449/48 v. Chr. Delphi von der Bevormundung
durch die mit Athen sympathisierenden Phoker befreiten; der 3. Heilige Krieg (356–346 v. Chr.) wurde ebenfalls von den Phokern
ausgelöst, die sich zehn Jahre lang in Delphi verschanzten und von den Weihgeschenken ein Söldnerheer finanzierten. Diese
Versuche einer Einflussnahme in Delphi belegen die ungebrochene Bedeutung des Orakels und stellen lediglich kurze Episoden |38| in der weitgehend von Neutralität geprägten Geschichte Delphis dar.
Römische Kaiser, die für ihre
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