Hoehepunkte der Antike
offensichtlich den Kreis derjenigen, die an der Bürgergemeinschaft
teilhaben
konnten, beschränken. Perikles brachte 451/50 v. Chr. ein Bürgerrechtsgesetz in Athen ein, das eindeutig festlegte, wie der
Status eines Bürgers zu definieren war. In einer für antike Verhältnisse sehr restriktiven Weise ließ man nur noch diejenigen
zum Bürgerrecht zu, deren beide Elternteile attische Vollbürgerschaft besaßen. Eine solche Forderung war in der Antike ausgesprochen
unüblich, in der Regel reichte die Bürgermitgliedschaft eines Elternteils bzw. meist des Vaters. Perikles selbst wurde übrigens
Opfer seines eigenen Gesetzes. Nachdem seine beiden Söhne zu Beginn des Peloponnesischen Kriegs gestorben waren, musste er,
selbst schon schwerkrank, demütigst von der Volksversammlung das Privileg erbitten, seinem dritten Sohn, dessen Mutter keine
Athenerin war, das attische Bürgerrecht zu verleihen.
Offenbar wurde aber die Teilhabe an der Bürgerschaft in Athen als ein Privileg betrachtet, dessen Ausdehnung reduziert werden
sollte. Kurze Zeit nach der Einführung des Gesetzes erhielten die Athener von dem Ägypter Psammetich eine großzügige Getreideschenkung.
Man überprüfte die Berechtigung der Empfänger, d. h. man kontrollierte die Bürgerlisten auf der Grundlage des neuen Gesetzes.
Angeblich sollen von 19 000 insgesamt 4760 aus der Liste gestrichen worden sein, die demnach gar kein Recht mehr hatten, sich Bürger zu nennen. Hinter
solchen Geschichten, deren Wahrheitswert nicht zu überprüfen ist, lässt sich allerdings deutlich erkennen, wie man sich die
Bürgerschaft vorstellte: als homogen, einheitlich und geschlossen, in jedem Fall abgegrenzt, um Privilegien nicht teilen oder
schmälern zu müssen.
Das Ratsgebäude auf der Agora
Das Gesetz markiert eine Entwicklung, die die Regularien und Kriterien für Zugang und Ausführung von Teilhabe und Aktivität
im gesellschaftlich-politischen Raum des Bürgers definiert, aber vor allem kontrolliert. Tradition, Gewohnheit und Herkommen
werden immer weiter ersetzt durch Bestimmungen, Gesetze, Kontrolle. Gleichzeitig ist darin eine klare Konzeption vom Wert
des Bürger-Seins zu erkennen, die auf |54| der Gleichheit aller Bürger basiert, aber eben auch keinerlei Ungleichheit akzeptiert – nicht einmal die Ungleichheit des
politischen oder militärischen Erfolgs zugunsten aller Bürger!
Die symbolisch-visuelle Krönung dieser Machtverteilung findet sich in der Errichtung eines kleinen, runden Tagungsgebäudes
neben dem großen Beratungshaus für den Rat der Fünf hundert. Dieses sehr große Gremium von 500 Personen erhält in den Jahren
zwischen Salamis und dem in den 60er-Jahren des 5. Jahrhunderts v. Chr. errichteten kleineren Rundbau eine ganz neue interne
Struktur. Diese Struktur ermöglichte erst die wirkliche Arbeitsfähigkeit und damit ganz sicher auch die politische Bedeutung
und Schlagkraft des Rates. Entsprechend der Zusammensetzung aus zehn Phylen wurde der Rat in zehn geschäftsführende Ausschüsse
(Prytanien) unterteilt, deren Mitglieder jeweils die fünfzig Mitglieder einer Phyle waren und die jeweils einen Vorsitzenden
hatten. Die jährliche Amtszeit aller Ratsherren wiederum wurde ebenfalls in zehn Perioden zu 37 bzw. 36 Tagen eingeteilt,
so dass jeder geschäftsführende Ausschuss für ein Zehntel des Jahres die Geschäfte führte und alle in dieser Zeit beschlossenen
Dekrete des Rates im Namen der Prytanie der jeweiligen Phyle gefasst wurden.
Zu der Amtsführung einer Phyle gehörte die konstante Präsenz auf der Agora: Ein Drittel des jeweiligen Ausschusses hatte zusammen
mit dem Vorsitzenden für die Dauer der Amtszeit der Prytanie in dem Gebäude zu wohnen, die gesamte Prytanie jeweils vor den
täglichen Versammlungen des Rates und den etwa wöchentlich stattfindenden Volksversammlungen dort zu speisen. Für diese Aufenthalts-
und Beratungszeit ist ein Rundbau südlich des großen Amtsgebäudes für den Rat der Fünf hundert errichtet worden. Das wegen
seiner Form als
Tholos
(Kuppelgebäude) bezeichnete Haus ist gleichzeitig mit der Einrichtung des Ausschuss-Systems gebaut worden. Die
Tholos
selbst symbolisiert in verschiedener Hinsicht die neue Demokratie. In ihr war der gemeinsame Herd, die
hestia koine
, untergebracht. So wie der private Herd das Zentrum des Hauses war, an dem der Hauskult durchgeführt, Kinder und Sklaven
in die Familiengemeinschaft aufgenommen wurden,
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