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Hoehepunkte der Antike

Titel: Hoehepunkte der Antike Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Brodersen
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später ähnliche Zentren kultureller Prägekraft. Doch Athen war der Musentempel der Demokratie
     und nicht der Hof eines kunstbeflissenen Alleinherrschers: Genauso engagiert, wie die Athener die Volksversammlung und die
     Gerichte besuchten, |59| strömten sie in die Theater- und Musikaufführungen. Und genauso begeistert, wie sie Dichter und Künstler feierten, ergriff
     sie ein enthusiastischer Taumel, wenn die Kriegsflotte ihre Manöver abhielt oder zu einer Expedition auslief. Die Athener
     Identität speiste sich aus einer Vielzahl unterschiedlicher Aktions- und Erfahrungsräume. Erst ihre Summe macht die Stadt
     zu einem welthistorischen Phänomen erstens Ranges und das 5. Jahrhundert v. Chr. zu einer Wasserscheide der Weltgeschichte:
     Niemals zuvor und niemals danach hat eine Stadt in so kurzer Zeit und auf so konzentrierte Weise ihre außenpolitische und
     wirtschaftliche Machtentfaltung mit einer kulturell-geistigen Vorreiterrolle und einem einzigartigen innenpolitischen System
     verbunden wie Athen. Und niemals hat eine Stadt innerhalb so kurzer Zeit so viele traditionsbildende Energien freigesetzt,
     dass sich noch Jahrtausende später Menschen aus aller Welt auf Athen als ihre geistige Mutter berufen.
     
     
    Die historischen Grundlagen der athenischen Ausnahmestellung
     
    Um die Bedeutung dieses Phänomens zu verstehen und die Gründe für die außergewöhnliche Entwicklung einer Stadt zur kulturellen
     Weltmetropole freizulegen, muss man den Blick zurückwerfen ins 6. Jahrhundert v. Chr. – eine Zeit voller Spannungen, Nöte
     und Probleme. Das größte Problem erwuchs aus den geringen Ackerbauflächen, die das griechische Mutterland einer stetig wachsenden
     Bevölkerung bot. Athen zählte schon damals zu den bevölkerungsreichsten Poleis. Doch anders als viele Küstenstädte verzichteten
     die Adligen auf die Chance, den Streit um Grundstücke und den Ärger der verschuldeten Kleinbauern durch die Gründung von Kolonien
     nach Außen abzulenken. Stattdessen konzentrierten sich die Probleme in Athen selbst.
    594 v. Chr., kurz vor Ausbruch eines Bürgerkrieges, bot ein Mann namens Solon einen Weg aus der Krise. Er war von den streitenden
     Parteien zum Schlichter („Versöhner“) mit gesetzgeberischen Vollmachten bestellt worden: Seine Erfolge als weit gereister
     Kaufmann versprachen praktische und unparteiische Lösungen. In mehreren Gedichten machte Solon zunächst den Athenern klar,
     dass nicht der Zorn der Götter die Übel der Stadt verursacht hätten, sondern die Bürger selbst. Dementsprechend müssten auch
     alle Bürger gemeinsam nach Wegen aus der Krise suchen. Der innere Friede – so die Einsicht Solons – könne nur gewahrt |60| werden, wenn die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Bauern durch eine Stärkung der politischen Verantwortlichkeit
     jedes Bürgers ergänzt wurde. Besonders die wirtschaftlich Erfolgreichen sollten stärker an der politischen Führung beteiligt
     werden. Deshalb teilte er die Bürgerschaft in vier Klassen ein, die sich nach der Größe des Bodenbesitzes und dem jährlichen
     Ertrag der Felder bestimmten. Prinzipiell konnte damit jeder, der reich war und einen ertragreichen Grundbesitz hatte, hohe
     politische Posten bekleiden, auch wenn er kein Adliger war.
    Solon veröffentlichte seine Reformen in schriftlicher Form als Gesetze. Fortan hatte jeder Athener die Möglichkeit, beim zuständigen
     Beamten eine Klage einzureichen – unabhängig davon, ob es um sein persönliches Wohl und Wehe ging oder ein allgemeiner Gesetzesverstoß
     gerichtlich verfolgt werden sollte. Die Verhandlung dieser Klagen – außer Mord und Verrat gegen die Polis – erfolgte in einem
     neu eingerichteten Gericht, in das jeder Athener als Richter berufen werden konnte.
    Solon wies damit einen Weg des politischen Miteinander, der nicht nur allen Bürgern Rechte verschaffte, sondern alle Bürger
     in die Pflicht nahm, wenn es um die Lösung städtischer Probleme ging. Das gestärkte Verantwortungsgefühl der Bürger für ihre
     Stadt konnte freilich nicht verhindern, dass Athen – wie jede Stadt Griechenlands – auch nach den Reformen von den Machtkämpfen
     der Adligen geprägt blieb. Immerhin mussten diese das Wohl der Heimatgemeinde nun stärker berücksichtigen als zuvor. Typisch
     für diese Einstellung ist die sich noch zu Lebzeiten des Solons etablierende Tyrannis des Peisistratos. Er brachte seine Anhänger
     in die höchsten Ämter, ließ aber die solonische

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