Hoehepunkte der Antike
Gottesherrschaft. Die
Rettungswunder haben epiphaniehafte Züge. Jesus rettet aus Notlagen. Auch hier vollzieht sich die Gottesherrschaft gegenüber
den Menschen.
Besondere Bedeutung haben die Heilungen Jesu am Sabbat. Die Evangelien berichten von sechs voneinander unabhängigen Streitgesprächen
Jesu über den Sabbat (Markus 2,23–28; 3,1–6; Lukas 13,10–17; 14,1–6; Johannes 5; Johannes 9), von denen in fünf Fällen eine
Heilung am Sabbat den Ausgangspunkt darstellt. Der Sabbat wird im Frühjudentum als Zeichen der Ruhe Gottes beim Abschluss
der Schöpfung, als Erinnerung an die Zeit der Bedrückung in Ägypten und als Vorzeichen der endgültigen Heilszeit verstanden.
Dieser letzte Aspekt ist für die Frage nach der Stellung Jesu zum Sabbat und dem Sinn der Sabbatheilungen entscheidend. Jesus
durchbricht demonstrativ den Buchstaben des Sabbatgebotes, nichts zu arbeiten, um – via eminentiae – den letztendlichen Sinn
des Sabbats deutlich zu machen: Gottes Heil für die Menschen. Jesus lässt auf diese Weise Gottes Herrschaft zeichenhaft sichtbar
werden. Durch seine Heilungen gerade am Sabbat erhebt er den Anspruch, die Intention des Sabbatgebotes, den Menschen Leben
zu ermöglichen, übergreifend zu erfüllen.
Jesu Lehre
Auch in der Lehre Jesu schlägt sich die grundlegende Erkenntnis der jetzt hereinbrechenden Gottesherrschaft nieder. Nur von
hier aus ist Jesu Lehre zu verstehen. Es geht Jesus nicht darum, die bisherige Tora zu beseitigen, sondern Jesus erteilt Tora
angesichts der hereinbrechenden Gottesherrschaft.
Jesus hat zwar nicht das ganze Volk in seine Nachfolge gerufen, jedoch zur Umkehr und zum Glauben aufgefordert. Den Sündern
(z. B. Zöllner Markus 2,17, und Dirnen Lukas 7,36–50) gewährt Jesus Gemeinschaft, weil er sich ihnen gegenüber als Arzt versteht
(Markus 2,16). Im gemeinsamen Essen und Trinken vollzieht sich deren Annahme durch Gott. Die Reichen fordert Jesus auf, ihr
Leben nicht auf Reichtum, sondern allein auf Gottes Zusage zu gründen (Markus 10,17–22). Im Reichtum lauert stets die Gefahr,
gegenüber Gott und Menschen autark werden und über das eigene Leben uneingeschränkt verfügen zu wollen |110| (Lukas 12,16–19; 16,19–25). Dann ist der Reichtum Symptom einer gottlosen Lebenshaltung geworden. Auch die Gerechten sind
gefährdet: Der Gerechte steht in Gefahr, seinen Eifer für die Tora als subtilen Versuch der Selbstrechtfertigung zu begreifen.
Im Gleichnis vom verlorenen Sohn (Lukas 15,12–32) ist der zu Hause gebliebene ältere Bruder ein Beispiel für einen solchen
„Gerechten“. Mit seinem Protest gegen die Heimholung des sündigen Bruders verrät er seine Ferne von Gott. Seine scheinbare
Gerechtigkeit wird damit als faktische Gottesferne sichtbar.
Die Stellung Jesu zur Tora ist differenziert zu beurteilen.
Tora
, zu deutsch „Weisung“, „Unterweisung“, „Lehre“, „Anweisung“, ist eine Sammelbezeichnung für den Willen Gottes. Im schriftlich
fixierten Sinn ist damit vor allem der Pentateuch (die fünf Bücher Mose) gemeint. Die Wiedergabe mit „Gesetz“ ist nur bedingt
richtig. Sie resultiert aus der Übertragung des Pentateuch ins Griechische und der Übersetzung von
Tora
durch
Nomos
. Neben der schriftlichen Tora gibt es die mündliche Tora, die
Halacha
. Die Halacha stellt teilweise Interpretation der schriftlichen Tora dar, teilweise ist sie Neuformulierung aufgrund neuer
Zeitumstände. Nicht alle Halacha lässt sich auf schriftliche Tora zurückführen. Je nach Gruppenzugehörigkeit gab es im Frühjudentum
unterschiedliche mündliche Tora. Für Jesu Stellung zur Tora muss daher die Spannung innerhalb des jüdischen Toraverständnisses
berücksichtigt werden. Grundlegend für das Judentum ist der innere Zusammenhang von Bund und Tora. Der Bund ist der innere
Grund für die Tora, die Tora gilt als Ausführungsbestimmung für das Bundesverhältnis zwischen Gott und seinem Volk. Die Tora
ist kein Heilsweg, sondern ein Lebensweg. Das Verhältnis zu Gott ist dabei vorausgesetzt. Diese grundlegenden Zusammenhänge
gelten für Jesus ebenso.
Die Evangelien zeichnen kein einheitliches Bild der Stellung Jesu zur Tora. Einerseits scheint Jesus die vollgültige Auslegung
der Tora zu bringen (Matthäus 5,17–20), andererseits betont er den Wortlaut der Tora (Lukas 16,17). Überblickt man die gesamte
Überlieferung, so ergibt sich, dass Jesus an bestimmten Stellen die Tora zu
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