Hoehepunkte der Antike
Aber auch der Col du Mont-Genèvre, der
Col du Perthus, der Col de Larche und insbesondere der Col du Clapier kommen in Betracht. Die Angabe, dass Hannibal um die
Zeit des Plejadenuntergangs die Passhöhe erreichte, deutet auf eine schon weit fortgeschrittene Zeit im Jahr (Ende Oktober/Anfang
November) hin. Angeblich befand sich auf den Berggipfeln bereits Schnee.
Entbehrungsreicher Abstieg
Auf der Passhöhe gönnte Hannibal seinen Truppen zwei Tage Rast, bevor er den Weitermarsch anordnete. Doch erwies sich der
Abstieg als nicht weniger problematisch als der Aufstieg. Diesmal behinderten nicht die Angriffe der Bergstämme, sondern die
Widrigkeiten der Natur die karthagische Expedition. In der Nacht vor dem Auf bruch hatte es zu schneien begonnen. Der Weg
hinab nach Italien, der ohnehin steiler war als auf der Westseite, verwandelte sich in eine lebensgefährliche tour de force.
Sehr ausführlich und anschaulich schildert Livius die Mühen, die bei diesem Abstieg bewältigt werden mussten:
Hierauf kam man an eine sehr viel engere Stelle des Felsmassivs, wo sich das Gestein so senkrecht erhob, dass ein Soldat sich
nur mit Mühe ohne Gepäck herablassen konnte, indem er sich vorwärts tastete und mit den Händen an den Büschen und den ringsum
herausragenden Baumwurzeln festhielt. Die an sich schon von Natur aus abschüssige Stelle war noch durch einen kürzlich erfolgten
Erdrutsch auf eine Tiefe von fast tausend Fuß abgestürzt. Als dort die Reiterei, als ob sie am Ende ihres Weges angekommen
wäre, Halt machte, wurde Hannibal, der sich wunderte, was denn den Heereszug aufhalte, gemeldet, das Felsmassiv sei nicht
begehbar. Hierauf ging er selbst nach vorne, um sich die Stelle anzusehen. Die Lage schien keinen Zweifel daran zu lassen,
dass er den Heereszug über überall unwegsames und vorher nicht betretenes Gelände auf einem ziemlich weiten Umweg führen müsse.
Dieser Weg war aber unbegehbar. Weil nämlich über dem alten, noch nicht geschmolzenen Schnee Neuschnee von mäßiger Höhe lag,
konnte man in dem weichen und nicht sehr tiefen Neuschnee leicht festen Fuß fassen. Aber sobald er durch |146| das Auftreten so vieler Menschen und Zugtiere geschmolzen war, mussten sie über das blanke Eis darunter und über den zerfließenden
Schneematsch schreiten. Da war nun ein grausiges Schauspiel zu sehen, weil das glatte Eis den Tritt nicht festhielt und auf
dem abschüssigen Gelände ziemlich rasch die Füße ausgleiten ließ. Wenn die Soldaten bei dem Versuch aufzustehen sich auf ihre
Hände oder ihre Knie stützten, glitten eben diese Stützen weg, und so fielen sie zum zweiten Mal hin. Und es gab im Umkreis
keine Baumstämme oder Wurzeln, an denen man sich mit den Füßen oder den Händen hätte aufstützen können. Auf diese Weise rutschten
sie, weil überall nur glattes Eis und matschiger Schnee war, auf diesem hinunter. Die Zugtiere brachen beim Auftreten manchmal
sogar bis zur tiefsten Schicht durch, und wenn sie zu Fall gekommen waren und – bei dem Versuch sich hochzustemmen – zu heftig
mit den Hufen um sich schlugen, brachen sie sogar bis zu dem Boden durch, so dass sie häufig, wie von einer Fußfessel gefangen,
in dem harten und tief vereisten Schnee fest steckten.
(Livius 21,36)
Durch die Steinlawinen und den Neuschnee verlor Hannibal angeblich nicht weniger Leute als beim Aufstieg. Römische Quellen
sprechen davon, dass „zwei Drittel“ oder sogar „die meisten“ Soldaten dabei umgekommen seien. Hannibal hätte sich sogar zu
einer Umkehr entschieden, wenn der Rückweg nicht noch weiter und schwieriger gewesen wäre. Und sogar der Historiker Polybios,
der die Berichte seiner Berufskollegen über den Hannibal-Zug mehrfach aufs Korn nahm, betonte die Schwierigkeiten des Geländes
und die Engpässe bei der Nahrungsbeschaffung, die den Karthagern schwer zu schaffen gemacht hätten. Es sei ihnen nicht möglich
gewesen, für Zehntausende von Soldaten Proviant in ausreichendem Maße mitzuführen. Das Wenige sei beim Absturz der Lasttiere
verloren gegangen. Und die Soldaten hätten jeden moralischen Halt verloren, weil sie sich nicht waschen konnten.
Gewiss steckt hinter derartigen Berichten eine gehörige Portion Phantasie und Übertreibung. Zahlenangaben aus antiker Zeit
sind grundsätzlich nur mit Vorsicht zu genießen. Sie sollen und wollen oft keine quantitativ exakten Informationen liefern,
sondern eher die
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