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Hoehepunkte der Antike

Titel: Hoehepunkte der Antike Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Brodersen
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qualitative Schwierigkeit einer Sache unterstreichen. Und der antike Mensch hatte ein Faible für Schauer-
     und Heldengeschichten.
     
     
    |147| Hannibal träumt
     
    Berühmt geworden ist in diesem Zusammenhang eine Geschichte, die als „Traum des Hannibal“ (
somnium Hannibalis
) überliefert ist. Nach der Schilderung antiker Gewährsleute ist dem karthagischen Feldherrn eines Nachts „ein junger Mann
     von übermenschlichem Aussehen“ (
iuvenis divina specie
) im Schlaf erschienen. Hannibal soll geträumt haben, dass dieser Heros oder Gott, von Jupiter persönlich ausgesandt, zu ihm
     gekommen sei, um ihn auf dem Weg über die Alpen als Führer zu dienen. Hannibal sei ihm blindlings gefolgt, ohne unterwegs
     nach hinten oder zur Seite zu blicken. Aber als er sich trotz der Warnung des Jünglings doch einmal umdrehte, soll er eine
     riesige Schlange gesehen haben, die unter furchtbarem Getöse und dunklen Wolken alles platt walzte. Auf seine Frage, was dieses
     Omen zu bedeuten habe, erhielt Hannibal die Antwort: „die Zerstörung Italiens“.
    Es dürfte sich auch bei dieser Legende um eine Ausschmückung der schon mehrfach angesprochenen Hannibal-Herakles-Parallele
     handeln. Hinter dem „göttlichen Jüngling“ ist aller Wahrscheinlichkeit nach Hannibals persönlicher Schutzgott Melqart zu sehen.
     Obwohl sich mit guten Gründen vermuten lässt, dass ein historischer Kern vorhanden ist – denn zweifellos fühlte sich Hannibal
     dem Melqart in besonderer Weise verbunden –, deutet der eher negative Ton – Hannibals blindes Voranschreiten und sein Ungehorsam
     gegen die Anordnung des göttlichen Jünglings – darauf hin, dass diese Parallele wohl eher im römischen als im karthagischen
     Umfeld ihre Ausformung erfahren hat. Sie soll die unheimliche Macht und das übermenschliche Glück des Gegners Roms herausstreichen.
    Umgekehrt geht es natürlich auch nicht an, die Schwierigkeiten, vor denen Hannibal mit der Alpenüberquerung stand, zu minimalisieren
     und sämtliche Angaben der antiken Gewährsleute in das Reich der Phantasie zu verweisen. Polybios, der die Alpenwege aus eigener
     Anschauung kannte, hat in diesem Punkt wohl Recht, wenn er schreibt: „Hannibal jedenfalls ist bei seinem Unternehmen wirklich
     nicht so blindlings, wie diese schreiben, sondern außerordentlich verständig zu Werke gegangen“ (Polybios 3,48).
    Ein Beispiel für den Erfindungsreichtum mag hier Erwähnung finden. An einer Stelle musste Hannibal den Weg, der durch Steinlawinen |148| verschüttet war, durch den Einsatz primitiver Sprengmittel freilegen. Livius berichtet darüber Folgendes:
     
    … weil man das Felsgestein sprengen musste, fällten sie ringsum riesige Baumstämme, schlugen ihre Äste ab und errichteten
     einen gewaltigen Holzstoß. Als sich nun ein starker Wind erhob, der zum Anfachen eines Feuers günstig war, zündeten sie ihn
     unten an, gossen auf die glühenden Steine Essig und machten sie auf diese Weise mürbe. So konnten sie mit Brechwerkzeug durch
     den vom Feuer mürbe gewordenen Felsen eine Öffnung schlagen und milderten sodann durch mäßig abfallende Bahnen die Steilhänge,
     so dass nicht nur die Zugtiere, sondern auch die Elefanten hinuntergeführt werden konnten.
    (Livius 21,37)
     
    Der hier beschriebene Kniff mit der Verwendung von Essig ist von der modernen Forschung mehrfach angezweifelt worden. Zu Unrecht:
     Das Verfahren hat schon in der Antike eine gewisse Berühmtheit erlangt. Vitruv erwähnt es im achten Buch seines Handbuches
     über die Architektur, und sogar der Dichter Juvenal spielt in seiner zehnten Satire darauf an. Die Methode wurde anscheinend
     in antiken Bergwerken häufig angewandt und war den Karthagern durch ihre Silberminen in Spanien gut bekannt. Mit einem „Sprengen“
     im modernen Sinn hat es natürlich nur am Rande zu tun. Diese und andere Maßnahmen trugen Hannibal bei den Römern den Ruf ein,
     eine Bresche durch die Gebirge geschlagen und eine Alpenstraße angelegt zu haben, die seinen Namen trug.
    Am 24. September ereichte die karthagische Vorhut die Po-Ebene. Der Marsch von Carthago Nova nach Norditalien hatte fast ein
     halbes Jahr gedauert. Nach den römischen Schriftstellern gingen die Verluste der Karthager ins Astronomische. Von den ursprünglich
     90   000 Infanteristen und 12   000 Kavalleristen war ihnen noch ein kümmerlicher Rest geblieben, etwa 20   000 Infanteristen und 6000 Kavalleristen. Zu wenig für das Feldherrngenie Hannibal, um es

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