Höhepunkte
dünnen Barthärchen am Kinn sorgfältig rasiert, während man den Flaum auf der Oberlippe stehen ließ, um leicht, nach jedem Schluck Bier, den man auf der Piazza trank, mit dem Handrücken darüber zu fahren. Eine Geste, die von den Mädchen, die weiter entfernt in einer Gruppe herumstanden und sich kichernd Geschichten zuraunten, mit einer Mischung aus Andacht und Verlegenheit beobachtet wurde.
So einer war Luigi wohl geworden. Ein Junge, der den ganzen Tag nichts zu tun hatte und dem heiße Gedanken den Körper matt und fiebrig machten.
Auch in dieser Nacht fand die Baronessa keinen Schlaf. Obwohl die hohen Fensterflügel weit geöffnet waren und eine leichte Brise über ihr Bett strich, auf dem sie nackt, nur von einem dünnen Leinentuch bedeckt, den Morgen erwartete, fühlte sich ihr Körper so heiß an wie am Tag. Es war ihr, als heize sich die Matratze unter ihrem Körper auf, und sooft sie sich herumwälzte, einen kühlen, noch unberührten Platz auf ihrem Bett suchend, war es auch dort wenige Augenblicke später so glühend, daß sie aus dem leichten Halbschlummer, in den sie gefallen war, rasch wieder erwachte.
Fledermäuse flatterten um den schlanken Turm, der an der Westseite der Villa erbaut worden war, ihr Großvater hatte den Turm damals bestellt bei dem Architekten Oissaro, der sehr in Mode war. Alle reichen Leute aus Mailand und Rom wollten damals solche Türme an ihren Sommerhäusern haben, wollten sich in dem Gefühl wiegen, ein Schloß zu besitzen, eine Burg, sie träumten wohl von romantischen Spielen im Schloßhof, von schönen Fräulein, die sich oben aus dem Turmfenster beugen würden, ihnen zuwinken würden, ihnen eine Rose zuwerfen würden als Zeichen des Willkommens.
Die Eulen kamen, nisteten sich in den Türmen ein, die nie bewohnt wurden, fraßen die Spinnen, die sich dort zwischen den morschen Balken eingerichtet hatten, jagten die Mäuse, die unter den Treppenabsätzen hausten, und schrien ihre heiseren Rufe in die mondhelle Nacht.
Manchmal strich eine Katze unten im Garten vorbei, und ihre schamlosen Liebesschreie ließen alle anderen Geräusche der Nacht für einen Augenblick verstummen. Die Glühwürmchen hörten auf, ihre kleinen goldenen Lichtpunkte zwischen die Sträucher zu werfen, die Libellen verharrten reglos in der Luft, mit zitternden Pergamentflügeln, das Käuzchen zog seinen Kopf ein und machte sich unsichtbar in den Zweigen der alten Platane.
Die Baronessa liebte und fürchtete diesen Turm, in manchen Nächten, wenn die Herbststürme einsetzten, plante sie den Umzug in ein anderes, der Turmseite abgewandtes Zimmer, aber dann kamen Abende wie dieser, dann kamen Nächte wie diese, lau und süß und geheimnisvoll, und das Zittern in der Natur setzte sich fort bis in ihren Körper, die Geheimnisse der Luft wurden weitergetragen, und auch der Turm barg ein Geheimnis, das sich der Baronessa offenbarte, manchmal, in diesen Nächten.
Die Baronessa glaubte an das Übernatürliche in den Wesen, glaubte an Kräfte, die kein Physiker messen konnte, an chemische Verbindungen, die man in einem Reagenzglas nicht nachweisen konnte. Sie fühlte alle diese Spannungen und Vibrationen in sich selbst, in ihrem Körper, aber auch in ihrer Seele, wie ein Magnet zog sie alles an, jeden Geruch, jeden Windhauch, jeden Schrei in der Nacht. Und voller Unruhe stand sie dann auf, schlüpfte in eines ihrer wallenden Nachtgewänder, das wohl im Ritz von Paris jeden Zimmerboy beeindruckt hätte, aber hier, auf dem Lande, in der Provinz, wirkte es eher lächerlich und grotesk. Der rubinrote Samtmantel, dessen weitschwingende Glocke um ihre Beine wehte, leuchtete zwischen dem silbrigen Grau der Zypressen, vorbei an den moosbewachsenen Steinbalustraden, auf den weit ausschwingenden Marmortreppen, die hinab in den Garten führten, über den schmalen Weg, vorbei an den Ligusterhecken, dem glühenden Ginster, dessen betörender Geruch sie für einen Augenblick reglos verharren ließ, weiter an dem kleinen Gemüsegarten vorbei, in dem Filippo alle Kräuter zog, Thymian und Liebstöckel, Rosmarin und Basilikum. Der herbe Geruch der Zitronenmelisse mischte sich mit dem frischen Duft der riesigen, alles überwuchernden Pfefferminzstaude, die im Schatten der jungen Bohnenstauden prächtig gedieh.
Der Mond verfolgte das rubinrote Samtwesen, brachte manchmal kleine tückische Äste ins Spiel, die sich in ihrem Kleid verfingen und ein Dreieck in den Stoff rissen; dann fluchte die Baronessa leise, raffte den
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