Höhepunkte
an der Tür zum Zimmer der Schwiegermutter vorbeigingen, öffnete sich die Tür einen Spaltbreit, ganz lautlos. Die Mutter streckte den Kopf heraus und schaute ihrem Sohn nach, wie er hinter Renata die Treppe zum Schlafzimmer hinaufging, sich bereits die Hose aufknöpfte und es gar nicht mehr erwarten konnte, mit seiner Frau ins Bett zu kommen. Bald würde sie die verräterischen Geräusche der Lust vernehmen, in diesem Haus blieb nichts verborgen. Dieses sich steigernde Keuchen des Sohnes, Renatas Seufzer, das Knarren des Bettes. Eines Tages, dachte sie, werde ich sterben, weil ich ihnen Zusehen muß bei dieser Liebe, die mich anwidert, die mich ekelt. Diese gemeine, ordinäre Liebe. Oder vielleicht bringe ich sie um, diese Schlange, die so falsch ist, so falsch mit ihrem Madonnenlächeln und ihren kastanienfarbenen Haaren. Carlo sieht ja nicht, was für schmachtende Blicke sie anderen Männern zuwirft, Carlo weiß ja nicht, wie sie sich von anderen Männern beim Tanzen anfassen läßt, schamlos ist dieses Weib. Keusch und züchtig? Daß ich nicht lache! Nur weil sie sonntags die Messe besucht und einmal im Monat zur Beichte geht? Ich bringe sie um. Eines Tages bringe ich sie um.
Die Baronessa hatte den kleinen metallenen Gartentisch in den Schatten der Pinie geschoben, jetzt saß sie, den gebauschten Spitzenrock weit über die Knie geschoben, mit gespreizten Beinen auf dem Gartenstuhl. Ein Glas Wein in der Hand, schaute sie gedankenverloren in die Baumkrone, in die Sonnenflecken zwischen den spitzen Nadeln, die wie Stacheln von den Ästen abstanden. Große Zapfen entdeckte sie, dicke vorjährige Pinienzapfen, die manchmal, wenn der Wind durch die Zweige rauschte, abgeworfen wurden und dann unten auf der kiesbedeckten
Terrasse liegen blieben; zusammen mit vielen braunen Nadeln wurden sie morgens vom Gärtner zusammengekehrt und einmal im Monat hinter den wilden Rosenhecken verbrannt. Der harzige Geruch, der von den brennenden Nadeln ausging, verströmte sich dann im Garten, stieg auf zu den Fenstern, hinter denen die Baronessa lag und von dem Leben träumte, das früher war, es war ein betörender, berauschender Duft, der die Erinnerung an Kinderträume weckte, an die ersten Sehnsüchte der Jugend.
Dann fiel ihr Renata ein. Konnte man ihr durchgehen lassen, was sie tat? Sollte man das alles auf sich beruhen lassen? Renata, die sich ungeniert auf den Altar der heiligen Madonna legte, in ihrem Park? Renata, die Lust genießend an einem Platz, der nur ihr, der Baronessa Vorbehalten sein sollte? Hat sie nicht verdient, ein wenig gestraft zu werden für diesen Frevel?
Das Papier, auf dem die Baronessa gewöhnlich Briefe schrieb, war aus lavendelblauem Bütten mit dem eingestanzten Familienwappen in der rechten oberen Hälfte und ihrem in englischer Schreibschrift gravierten Namen: »Baronessa Laura Graziana Battoldi, Via Virginale, Azzuro.«
Aber dieses Papier benutzte sie heute nicht. Sie hatte einfache, weiße Schreibmaschinenbögen im Schreibtisch gefunden, an dem früher ihr Vater seine wissenschaftlichen Werke schrieb, einfache, weiße Briefumschläge, die keine Schlüsse auf den Absender zuließen, weil es sie in millionenfacher Ausführung in den Haushalten zwischen Triest und Taormina gab. Die kleine Reiseschreibmaschine, die auf dem Gartentisch stand, hatte ein verblichenes Farbband, überhaupt war sie etwas altersschwach, aber für diesen Zweck durchaus geeignet, das spürte die Baronessa schon bei den ersten Anschlägen, eine gebrauchte, abgestumpfte Schreibmaschine, die sich nicht mehr aufregte, die sich nicht mehr weigern würde, bei keinem Satz streiken, auch nicht bei einem Brief wie diesem, den die Baronessa lange in ihrem Kopf herumgetragen hatte und den sie nun, während der Siesta, als das Personal im Gartenhaus in einen leichten heißen Sommerschlaf gefallen war, auf den weißen Bogen tippte: »Carlo, wo hast du deine Augen? Was rennst du herum in diesem Dorf wie ein Gockel und weißt nicht, daß deine Frau dich betrügt? Nachts, wenn du Dummkopf das ungesalzene Brot für die Leute von Azzuro knetest, dann läßt auch Renata sich kneten, aber nicht von Bäckerhänden, nicht so grob, wie du mit deinen Broten umgehst. Während du arbeitest, setzt sie dir Hörner auf, du Dummkopf! Eines Tages wird das ganze Dorf darüber reden, alle werden über dich lachen, ihr Gelächter wird bis zum Hahn hinaufschallen, der sich oben auf dem Kirchturm dreht.
Wie lange willst du dir das noch gefallen lassen,
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