Höhepunkte
den kurzen Rest seiner Tage zu verbringen gedenkt.«
Aber diese Selbstvorwürfe halfen nichts. In diesem Augenblick tauchte ganz in ihrer Nähe, aus einem chinesischen Laden heraustretend, eine Silhouette auf.
Sie stieß einen spitzen Schrei aus, der wie ein Hilferuf klang: »Bee!«
Die junge Frau wandte sich um und trat mit einer Geste freudiger Überraschung an den Wagen heran.
»Ich habe Sie gesucht«, sagte Emmanuelle.
Im gleichen Augenblick erkannte sie, daß sie die Wahrheit gesagt hatte.
»Nun, dann haben Sie ja Glück gehabt, daß Sie mich gefunden haben«, scherzte Bee. »Denn in diese Gegend komme ich nicht sehr häufig.«
Natürlich, sie glaubt mir nicht, dachte Emmanuelle betrübt. »Möchten Sie mit mir zusammen zu Mittag essen?« schlug sie so inständig bittend vor, daß Bee einen Augenblick lang nicht wußte, was sie antworten sollte.
Doch Emmanuelle fuhr fort: »Ich habe eine Idee! Kommen Sie mit zu mir. Es ist reichlich zu essen da. Und Sie kennen mein Haus noch nicht.«
»Möchten Sie nicht lieber mal hiesige Spezialitäten kennenlernen?« fragte Bee. »Ganz in der Nähe ist ein sehr pittoreskes kleines siamesisches Restaurant. Ich lade Sie ein.«
»Nein«, antwortete Emmanuelle beharrlich. »Ein anderes Mal. Jetzt möchte ich Sie mit zu mir nach Hause nehmen.«
»Wenn Sie meinen!«
Bee öffnete die Wagentür und setzte sich neben sie. Emmanuelle blühte auf. Sie hatte plötzlich das Gefühl, als habe sie wieder zu sich selbst gefunden; sie wußte nun, was sie wollte, war stolz, daß sie liebte, und konnte sich weder verstellen noch warten. Es fehlte wenig, und sie hätte ihre Freude laut hinausgeschrien, während sie alle Vorsicht außer acht lassend ihren Wagen durch das Ameisengetümmel der Stadt lenkte. Ohne jeden Grund lachte sie hin und wieder. Sie strahlte geradezu. Worte formten sich in ihrem Kopf zu einer hoffnungsfrohen Melodie. O meine terra firma! O meine Schöne mit dem geflügelten Namen! O du meine Schöne, meine sanfte Schöne! O du Land mit dem geflügelten Namen! O meine Schöne, meine sanfte Schöne! O mir verheißene Bucht mit dem geflügelten Namen, meine Schöne, o meine sanfte Schöne! Du Schöne, meine terra firma, meine Bucht, meine Flügel!
Mit der Geste einer Schiffbrüchigen streckte sie zärtlich die Arme aus, schüttelte ihre schweren Haare, küßte schluchzend vor Glück das schöne, liebreiche Gestade. Endlich, endlich! Oh, so lieblich war das Gestade, an das die Welle sie trug, sie, im feuchtschimmernden Haar, so gastlich ihrem dürstenden Leib, ihren nackten Beinen, ihrem hingegebenen Körper. In der Verzauberung der Augustnacht war alles vergessen, was sie gelernt und wieder verlernt hatte, seit sie von der einen in die andere Welt verschlagen worden war. Ihre Lippen leuchteten in immerwährender Morgenröte.
Bee betrachtete sie voller Bewunderung, aber auch ein wenig befremdet.
Das elegante und modern eingerichtete Haus gefiel der Besucherin. Sie lobte die Blumenarrangements; Emmanuelle hatte die Kunst des Ikebana in Paris gelernt; die Keramik; die Schalen aus durchsichtigem Stein, die mit Korallen und Seemuscheln verziert waren; das große, schmiedeeiserne Mobile, das sich mitten im Zimmer sperrig und herausfordernd erhob und mit seinem ganzen seltsamen metallenen Laub klirrte.
Sie aßen rasch zu Mittag. Emmanuelle hatte die Sprache verloren. Ihr jubilierender Blick ließ nicht ab von Bee.
Dann besichtigten sie trotz der sengenden Sonne den Garten. Emmanuelle hatte die Hand ihrer Freundin ergriffen, und sie gingen zwischen den Beeten mit den gepflanzten Ablegern und Setzlingen entlang. Sie wies darauf hin, wie schön der Garten erst sein würde, wenn das alles zu Sträuchern erblüht war.
Emmanuelle brach eine langstielige Rose und reicht sie Bee, die die rote Blütenkrone mit ihren Fingern umfaßte und an ihre Wange hielt. Emmanuelle kam mit ihren Lippen näher und drückte einen Kuß auf die Rose.
Der Gang durch den Garten hatte sie erhitzt. Sie kehrten ins Haus zurück.
»Wollen wir uns nicht rasch duschen?« schlug Emmanuelle vor. Bee fand das eine gute Idee.
Oben im Schlafzimmer riß sich Emmanuelle die Kleider so hastig vom Leibe, als stünden sie in Flammen. Erst als Emmanuelle ihr letztes Kleidungsstück abgelegt hatte, begann auch Bee, sich zu entkleiden.
Sie hatte nur gesagt: »Was haben Sie für einen schönen Körper!« Und dann hatte sie langsam ihren Kragen geöffnet. Als sie ihre Hemdbluse, die sie genau wie Emmanuelle auf
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