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Höhepunkte

Höhepunkte

Titel: Höhepunkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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hat wirklich mehr als Glück!« rief er, während er einen hingerissenen Blick auf seine Gastgeberin warf. »Welche Tugend hat ihm das verschafft?«
    »Keine, Gott sei Dank«, scherzte sie. »Ein tugendhafter Ehemann, wie entsetzlich!«
    Sie blieben bis spät in die Nacht hinein auf, fröhlich und lärmend, und gingen erst zu Bett, als Emmanuelle der Schlaf übermannte in dem Sessel, in den sie sich gekuschelt hatte, unter der Bougainvillea, die sich über die Terrasse des Erdgeschosses spannte. Es regnete nicht. Die Frösche waren verstummt. Die Sterne glänzten hell wie in der trockenen Jahreszeit. Mitte August gibt es in Thailand häufig solche trügerischen Atempausen.

    Emmanuelle pflegt nackt zu schlafen. Aber wenn sie mit Jean auf dem breiten Balkon ihres Schlafzimmers frühstückt, zieht sie sich eines der kurzen Nachthemden über, von denen sie sich vor ihrer Abreise aus Paris eine große Anzahl gekauft hatte (besonders weil sie gern anprobieren ging). Heute morgen trägt sie ein durchsichtiges und plissiertes von der Farbe ihrer Haut. Der Saum reicht nicht weiter hinunter als bis zu den Leisten. An der Taille wird es durch drei Knöpfe geschlossen. Der leiseste Windhauch lüftet es sanft. Plötzlich fängt Emmanuelle an zu lachen.
    »Ach, ich habe ja ganz vergessen, daß wir einen Gast haben. Ich glaube, es ist besser, ich ziehe mir etwas über.«
    Sie steht schon auf, aber Jean protestiert. »Kommt nicht in Frage«, entschied er. »So siehst du viel besser aus.«
    Im Grunde hat sie gar nichts dagegen, sich in diesem Aufzug zu zeigen; sie ist seit langem daran gewöhnt, daß alle möglichen Leute sie nackt sehen. Es ist ihr von ihrer Kindheit her vertraut. Die Vorstellung, sich der Eltern wegen einen Morgenrock überziehen zu müssen, wäre diesen ebenso albern vorgekommen wie ihr selbst. Daß sie sich nach ihrer Hochzeit eine Anzahl Nachthemden gekauft hatte, war aus Koketterie und nicht aus Schamhaftigkeit geschehen.
    Christopher ist dabei allerdings nicht so wohl zumute wie seinen Gastgebern. Er sitzt Emmanuelle gegenüber und kann seinen Blick nicht von ihren Brüsten lösen, die die Sonne durch den plissierten Stoff hindurch belebt: blutvoll drängen sich die Spitzen nach vorn - zwei blaßrosa Tupfen unter dem Gewebe.
    Als sie aufsteht, um ihm Zwieback, Früchte, Honig zu reichen, schlägt die morgendliche Brise den leichten Stoff bis zum Nabel auseinander, und das Astrachandreieck nähert sich ihm, kommt seinem Gesicht so nahe, daß er seinen Maiglöckchenduft atmet. Er wagt kaum, die Tasse an die Lippen zu heben, da er fürchtet, daß seine Hände zittern könnten. Panik überkommt ihn: Was soll ich tun, wenn ich aufstehen muß?
    Zu seiner Erleichterung geht Emmanuelle wieder in ihr Schlafzimmer zurück, bevor die Männer ihr Frühstück beendet haben. So bleibt Christopher Zeit, sich wieder in die Gewalt zu bekommen.
    Erst zum Abendessen wollten Jean und Christopher wieder zurück sein. Emmanuelle hatte keine Lust, den ganzen Tag allein zu Hause zu verbringen. Sie nahm den Wagen und fuhr in die Stadt. Eine Stunde lang fuhr sie ziellos herum, verirrte sich, hielt zuweilen an, um ein Geschäft zu betreten, oder starrte abwesend und von Grauen geschüttelt einen Leprakranken an, der auf dem Bürgersteig saß und sich rückwärts bewegte, wobei er sich auf seine zerfressenen Handgelenke stützte und die Stümpfe seiner Schenkel über den schmutzigen Boden schleifte. Emmanuelle war von diesem Anblick so erschüttert, daß es ihr nicht gelingen wollte, den Motor wieder anzulassen. Sie saß wie gelähmt da, hatte vergessen, wohin sie fahren wollte, vergessen, welche Bewegungen sie mit ihren unversehrten Füßen, ihren gesunden und zarten Händen ausführen mußte... Gleichzeitig schämte sie sich ihrer plötzlichen Verwirrung.
    »Wenn mir dieser Mann angst macht«, fuhr es ihr durch den Sinn, »dann heißt das, daß ich ihn ablehne und daß ich mich genauso grausam aufführe wie meine Landsleute in früheren Zeiten, wenn sie die Leprakranken verbannten, sie behandelten, als ob sie schon tot wären, und ihnen befahlen, sich in entehrender Weise als Kranke zu kennzeichnen. Diese Siamesen sind da weniger ungerecht; sie behandeln einen Kranken nicht wie einen Verbrecher. Sie ergreifen nicht die Flucht oder zeigen mit dem Finger auf ihn. Sie machen kein Aufhebens davon, wenn sie ihm auf der Straße begegnen. Sie geben ihm zu essen und zu trinken und lassen ihn weiterziehen, wohin es ihm beliebt und wo immer er

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