Höhepunkte
Bruder meinte, fing er an, Maria herumzukommandieren, und während ihrer wortlosen Spaziergänge im Park zeigte er ihr, daß er ein Mann war, packte sie grob an den Handgelenken und sagte zu ihr: »Du weißt, Maria, du kannst wirklich von Glück sagen, daß du mit jemandem wie mir zusammen bist.«
Er sah ihr zu, wie sie sich vor dem Spiegel zurechtmachte, und sagte: »Ich dachte nie, daß du so eitel bist. Das ist nicht gut, Maria, du wirst im Alter häßlich werden, wenn du zu lange in den Spiegel siehst.«
Er tat andere Dinge, über die er später in der Erinnerung vor Scham zusammenzucken sollte. So gutaussehend sie auch war, er begann, seinen älteren Bruder nachzumachen und ging dazu über, sich nach anderen Frauen auf der Straße umzudrehen. Er stellte sich vor, daß sie für immer bei ihm bleiben würde, wenn er sie ein wenig kleiner machte. Als die Dinge nicht besser wurden, wurde das Schweigen zwischen ihnen länger. Je schlimmer die Dinge wurden, desto verwirrter wurde Nestor.
Aber während der Zeit, als es schlecht um sie stand, setzte Nestor sich hin und schrieb seiner Mutter einen Brief, in dem stand: » Mamá , ich glaub, ich hab ein Mädchen zum Heiraten gefunden.«
Und sobald er einmal seiner Mutter davon erzählt hatte, bekam seine Liebesromanze etwas Magisches, etwas von Unausweichlichkeit. Schicksal nannte er es. Zunächst machte er ihr einen förmlichen Antrag, auf den Knien, in einem Garten hinter einem Gesellschaftsclub, mit Ring und Blumen. Er senkte den Kopf und wartete auf eine Antwort: Er schloß die Augen und dachte an alles Glück des Himmels, und als er wieder hochsah, um in ihr hübsches Gesicht zu schauen, lief sie gerade aus dem Garten hinaus, sein Ring und die Blumen lagen neben ihm auf dem Boden.
Wenn er mit ihr ins Bett ging, mußte er an den Mann denken, den er an dem Tag gesehen hatte, als sie sich kennenlernten, und wie sie nachher geweint hatte. Wenn sie sich liebten, hinterließ er blaue Flecke auf ihren Beinen und Brüsten, weil er sie grob anfaßte, um ihr zu zeigen, daß er ein starker Mann war. Er stand von ihrem Bett auf und sagte zu ihr: »Du wirst mich verlassen, nicht?« Er hatte das üble Gefühl im Magen, daß irgend etwas in ihm sie abstieß. In diesen Nächten wünschte er sich eine pinga so riesig, daß es sie auseinanderriß und ihre neuen Zweifel an ihm herausfielen wie aus einer zerbrochenen piñata.
Weil er glaubte, Hartnäckigkeit würde ihn ans Ziel bringen, sagte er zu ihr: »Ich werde dich jeden Tag bitten, mich zu heiraten, bis du ja sagst.«
Sie gingen zusammen spazieren und ins Kino, ihr schönes Gesicht ganz zerquält.
»Da ist etwas, das ich dir sagen will...«, begann sie immer wieder.
»Ja, Maria, daß wir für immer zusammenbleiben?«
»...Ja, Nestor.«
»Ah, ich hab’s gewußt. Ich würde sterben ohne dich.«
Eines Abends wollten sie zusammen in einen Humphrey-Bogart-Film gehen und sich an ihrer üblichen Stelle treffen, vor einer Bäckerei namens De Leon’s. Als sie nicht kam, ging er auf der Suche nach ihr bis drei Uhr früh die Straßen ab, und als er ins solar heimkam, erzählte er seinem älteren Bruder, was passiert war, und Cesar sagte, daß es vermutlich einen guten Grund gab, warum sie ihre Verabredung nicht eingehalten hatte. Nestor hatte den Rat seines Bruders schon immer sehr profund gefunden und fühlte sich gleich besser. Tags darauf ging er zu Marias Haus, und sie war nicht da, und er ging am nächsten Tag, und sie war nicht da, und dann ging er ins Havanna Hilton, und dort war sie auch nicht. Was, wenn ihr irgend etwas zugestoßen war? Er ging immer wieder zurück zu ihrem edificio, aber sie war nie dort, und jeden Abend tröstete ihn Cesar, der selber eine schlimme Zeit durchmachte. Aber am fünften Tag sagte Cesar, der sich eine Lebensphilosophie aus Rum, Rumba und Rumbumsen zurechtgelegt hatte, zu Nestor: »Entweder es ist ihr was passiert, oder sie hat dich verlassen. Wenn ihr was passiert ist, wirst du sie Wiedersehen, aber wenn sie fort ist... mußt du sie vergessen.«
Ein andermal am Morgen klopfte er so lang an die Tür, daß der Besitzer herauskam. »Maria Rivera? Sie ist weggezogen.« Wieder und wieder ging er zu dem Club, aber dort sagte man ihm, sie habe ihren Job aufgegeben und sei in ihr pueblo zurückgegangen.
Durch Wochen hindurch konnte er nichts essen oder trinken und magerte ab, und seine Schlaflosigkeit wurde schlimmer. Er saß auf dem Flachdach ihres solar und sah auf die Sterne über dem Hafen,
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