Höhepunkte
und noch weniger bedachte, er nahm Beas Liebe einfach hin. Erst als sie damit zu zögern begann, wachte er ein wenig aus dem Dämmerschlaf auf, diesem Normalzustand seines Lebens, und suchte ein aufmerksamer Liebhaber für Bea zu sein.
Da war es schon spät. Zu spät, wie sich bald darauf zeigte. Bea verfiel ihrem Mann zwar jedesmal neu, wenn er es darauf anlegte, doch während seiner Abwesenheit bohrten die Gedanken in ihr, und sie schuf sich die Kraft einer Distanz, die neu war für sie.
Eines Nachts, als sie sich geliebt hatten, sprach Bea den Wunsch nach Scheidung aus.
»Liebst du mich nicht mehr, Bea?« erkundigte sich Berry.
»Ich liebe dich, wenn wir zusammen sind, Berry, aber ich kann dich nicht mehr ertragen. Verstehst du das?«
»Nein.«
»Wenn ich dich erblicke, wirkst du auf mich wie eine Droge. Begreifst du es jetzt?«
»Ich begreife nicht, was daran schlimm sein soll.«
»Für dich ist es nicht schlimm, für mich ist es eine Unfreiheit, die ich nicht dulden darf.«
»Du bist dir vollkommen sicher?«
Sie versuchte Berry die ganze Nacht hindurch verständlich zu machen, worum es ihr ging. Sie sprach, und je mehr sie sprach und argumentierte, um so weniger begriff Berry.
Das war die Stunde, da sie sich endgültig von ihm löste. Und es war die Stunde, in der sie begriff, daß Worte nichts erklären können, wenn sie nur dem Mund entstammen und nicht dem Herzen.
Nach der Scheidung gab es ihr jedesmal einen Stich, wenn sie Berry erblickte. Sie brauchte nur sein Bild zu sehen, und es geschah. Manchmal trafen sie einander in Hotels, wo sie miteinander schliefen. Bea kostete es aus, doch blieb sie stark genug, am Morgen danach heiter und unbeschwert fortzugehen. Im Gegensatz zu Berry, den ihre Scheidung tief verletzt hatte und der diese Niederlage nicht verwinden konnte, weshalb er sich in den Nächten, die sie wieder zusammenkamen, auch ganz besondere Mühe gab. So wenig verstand er seine junge geschiedene Frau, daß er sie mit jeder anderen insgeheim gleichsetzte und meinte, er müsse nur ein ganz besonders fleißiger, einfallsreicher und phantastisch guter Liebhaber sein, und sie werde zu ihm zurückkehren.
Berry hatte Bea nie begreifen können.
Sie behandelte ihn wie ein nettes kleines Kind. Sie war ihm auch als geschiedene Frau noch eine besorgte, gute und tüchtige Liebhaberin. Für die eine Nacht, die sie im Hotelbett zusammenlagen.
Am Morgen aber vergaß sie Berry in dem Moment, in dem sie ihn nicht mehr vor Augen hatte.
Bea hatte endlich ganz begriffen, wie sehr sie ein Augenmensch war, von ihren Augen sklavisch abhängig. Ihre Blicke waren ihre Schwäche. Was sie sah, ließ sie in Abwehrstellung gehen oder in wilder, leidenschaftlicher Liebe entbrennen.
»Wissen Sie, was Gesichtsfetischismus ist?« fragte Bea ihren Begleiter Louis Wern auf der Fahrt in den Spessart. »Es gibt Maler, die den Gesichtem ihrer Modelle verfallen sind«, antwortete Louis.
»Sind Sie wirklich der Meinung, daß es lediglich die Gesichter sind?«
Die Bereitwilligkeit, mit der Louis auf ihre Worte eingegangen war, verblüffte Bea. Es schien fast, als hege dieser Mann ähnliche Gedanken wie sie selbst. Das konnte aber auch ein bloßes höfliches Entgegenkommen sein, wie es solche Männer manchmal als Trick anwandten, um die Distanz zu verringern.
Louis hatte aber offenbar tatsächlich darüber nachgedacht. »Es gibt viele Gründe für Anziehung und Abstoßung, doch der stärkste Grund ist das Gesicht. Mich wundert, daß noch nie jemand eine Geschichte der Gesichter geschrieben hat. Ich meine, in den Gesichtern der Menschen steht alles geschrieben, ihre eigene persönliche Geschichte und dazu die Geschichte der Zeit.«
»Und die Körper?« warf Bea ein.
Louis lächelte. »Körper bereiten die meisten Täuschungen, denen wir unterliegen.«
»Nein!« sagte Bea schnell. »Es gibt schöne und häßliche Körper, genau wie bei den Gesichtern. Es gibt Körper, nach denen es uns leidenschaftlich verlangt, und nach anderen verlangt es uns nicht im geringsten.«
»Das ist eine Täuschung!« beharrte Louis und lächelte noch immer mit jener Nachsicht, die Bea nicht leiden mochte. Sie kam sich zum Kind degradiert vor. So wie Louis jetzt hatten die Eltern oft gelächelt.
»Mag sein, wenn wir sehr jung sind, faszinieren uns die Körper«, erklärte Louis, plötzlich ernst geworden und nicht im geringsten mehr lächelnd. Er sprach wie einer, der dabei nachdenken muß und Wert darauf legt, sich knapp und exakt
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