Höhepunkte
auszudrücken. Keine Spur von Herablassung und keine Andeutung von Überlegenheit mehr. Louis dachte genau nach, während er sprach, und Bea empfand seinen Ernst als Zuwendung. Das freute sie. Zum ersten Male bei diesem Abenteuer fühlte sie sich bestärkt. Sie bemühte sich um keinen Unwürdigen. Mit nachtwandlerischer Sicherheit hatte sei einen Typen herausgegriffen, der es lohnte. Die Erkenntnis verschärfte das Gefühl, dem sie folgte, weil sie beherrscht werden wollte von dieser erotischen Leidenschaftlichkeit.
»Wenn wir den Kinderschuhen entwachsen sind«, fuhr Louis fort, »erkennen wir bald, daß uns die Körper bloße Zeichen von Nacktheit sind, die nur wenig bedeuten. Nacktheit ist noch keine Liebe und noch nicht einmal sexuelle Erregung. Nacktheit ist nur einfach die Abwesenheit von Verkleidung. Erst in Verbindung mit einem Gesicht beginnt uns das Nackte zu erregen.«
»Sie geben ein individuelles Psychogramm!« sagte Bea.
»Mag sein, daß ich nur von mir selbst rede. Übrigens, vielleicht verstehen Sie jetzt, daß ich nie zu Prostituierten gehen kann. Es erregt mich nicht. Es sei denn, ich fände das Gesicht der Hure interessant.«
»Ich bin eine Hure.«
»Wirklich?«
»Könnten Sie sich für mich interessieren?«
»Ich muß annehmen, Sie beabsichtigen irgendein Abenteuer. Leider gelang mir noch nicht, herauszukriegen, welch ein Abenteuer Sie vorhaben.«
»Sie kneifen vor meiner Frage, lieber Freund.«
»Ich muß Ihnen nicht erst sagen, daß Ihr Gesicht anziehend ist. Obwohl Sie offensichtlich nicht allein darauf vertrauten und mir eine andere Schönheit vorwiesen.«
»Ich wollte Sie unbedingt dazu bewegen, mitzukommen.«
»Und ich tat Ihnen den Gefallen.«
»Sie werden es nicht bereuen.«
»Falls Sie mich ermorden lassen wollen, erbitte ich mir die Gnade, in meinem letzten Augenblick Ihr Gesicht anblicken zu dürfen.«
»Das sind die Worte eines Romantikers, der Sie nicht sind.«
»Immerhin war ich romantisch genug, Ihnen zu folgen und mich in Ihre Hände zu begeben. Darf ich jetzt erfahren, was Sie Vorhaben mit meiner Wenigkeit?«
»Ganz einfach, ich möchte Sie beobachten!«
»Wie meinen Sie das - mich beobachten?«
»Wie ich es sagte - mir gefällt Ihr Gesicht. Ich möchte es beobachten, wenn es in Bewegung gerät.«
»In Bewegung -«
»In Erregung!«
»In Erregung?« Louis dämmerte, was gemeint war, und er lächelte wieder, doch ganz anders als vorher. Seine Eitelkeit, nicht überstark, doch auch nicht gerade sehr schwach, begann sich zu regen.
»Ich möchte Sie genau beobachten, wenn Sie lieben.« Bea gab die Erklärung bewußt beiläufig ab. So hielt sie es gern, wenn es um das Wichtigste ging, um ihre Herzensangelegenheit. Je mehr sie sich dem Ziel der Fahrt näherten, um so geiler fühlte sie sich. Es war eine wunderbare und ausschwingend freie Freude in ihr.
Bea steuerte den Wagen eine schmale pappelbestandene Allee entlang, die in ein Rondell mündete, das von einem hohen eisernen Tor begrenzt wurde.
Sie ließ den Wagen nahe ans Gitter heranrollen. Das Tor öffnete sich lautlos. Die beiden Flügel schoben sich beiseite, Bea fuhr in das parkartige Grundstück ein.
Der Weg war jetzt so schmal, daß nur ein Wagen darauf Platz fand, und es ging in langen Biegungen unter mächtigen Kiefern und Tannen hindurch.
Die Zufahrt mündete auf einen großen Platz, wo viele Wagen geparkt standen. Man befand sich jetzt vor einem schloßartigen Gebäude mit unverputzten Backsteinfronten.
Louis erkannte auf den ersten Blick, es handelte sich nicht um ein historisches Bauwerk. Offenbar hatte Anfang des Jahrhunderts ein schwerreicher Glückspilz hier seinen Wunschtraum verwirklicht und eine Mischung von altem Schloß und Fabrikantenvilla hinstellen lassen. Es paßte alles nur grob zusammen. Beim genauen Hinsehen paßte wiederum nichts zusammen. Jemand hatte seine Wünsche in Wohnarchitektur überführt, das große Geld eines erfolgreichen Unternehmers war zu einem schloßartigen Wohnsitz umgeformt worden.
Sie näherten sich einer kleinen hölzernen Pforte. Es dauerte kaum länger als einen Augenblick, und die Pforte wurde nach außen geöffnet. Zuerst erblickte Louis nur die schmale Hand der Dame, die die Tür aufhielt.
»Willkommen Bea!« sagte eine rauchige Stimme.
Louis war nicht überrascht von der Tatsache, daß seine Begleiterin hier bekannt war. Es hätte ihn überrascht, wäre es anders gewesen. Er verspürte eine anwachsende Neugier, eine Anspannung seiner Nerven. Die
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