Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Höhlenangst

Höhlenangst

Titel: Höhlenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
Vom Netzwerk:
Rettungseinsatz an der Falkensteiner Höhle. Drei Höhlenfahrer saßen in der Hohen Kluft fest. Der Demutsschlupf im Eingangsbereich war bereits voller Wasser. Alle Kräfte der Höhlenrettung waren im Einsatz. Das ganz große Besteck. Ich war zufällig auf Termin in Bad Urach bei der Höhlenrettung Uracher Spinne, um mir den Einsatzwagen erklären zu lassen, den sie sich gerade angeschafft hatten, als der Anruf kam. Normalerweise bevorzugen die Retter eine stille Bergung ohne Presserummel. Aber Winnie nahm mich mit. Fast zwanzig Höhlenretter waren über achtzehn Stunden im Einsatz, um die Hobbyhöhlenfahrer, darunter einen Schwerverletzten, aus den Schächten herauszuholen, von denen viele überflutet waren. Nachts um drei war es ge schafft. Ich hatte Hark und einigen anderen in einem Hotel in Bad Urach Zimmer besorgt, damit sie nicht mehr heim fahren mussten. Und da ist es dann passiert. Im Hotel.«
    Ich vertiefte mich in das Abflussloch der Spüle. Der Siphon wies leichte Züge von Verstopfung auf. »Und dann?«
    »Scheiße war das!«, sagte Janette. »Sibylle war meine beste Freundin und dann so was! Natürlich hatte ich ein irre schlechtes Gewissen. Das kannst du dir denken.«
    Du hast triumphiert, dachte ich. Sagte es aber nicht.
    »Hark kam auch nicht klar damit. Wir haben uns noch ein paarmal getroffen, es war auch sehr schön, aber es … ach, ich weiß auch nicht. Laura war schon auf der Welt, ich stand kurz vor der Hochzeit mit Florian. Wir wollten das Haus kaufen. Und Hark hatte auch Frau und Kind. Und er hing an Gerrit, immer schon. Der war damals gerade vier Jahre alt. Und im Grunde ist Hark total der Familienmensch.«
    »Ein Sindbad der Seefahrer«, bemerkte ich. »Familie im sicheren Hafen, in den er zurückschippert, um sich für den nächsten Kampf mit dem Höhlendrachen zu rüsten. Da muss daheim alles stimmen: die Eltern im Haus, Sohn im Garten, Frau in der Küche.«
    »So ungefähr.« Janette ließ die Kippe im Nikotinaschebad zischen. »Es wäre zu viel kaputtgegangen. Aber eigentlich … eigentlich hätten wir es damals durchziehen sollen.«
    Ich drückte gefühlvoll den Scheuerschwamm unterm Wasserhahn aus. »Und wie hat Sibylle reagiert?«
    Janette lachte auf. »Sie hat nicht einmal etwas gemerkt. Wir waren immer noch die dicksten Freundinnen. Richtig an mich geklammert hat sie sich. Ich sei ihre einzige Vertraute. Nur auf Frauen könne man sich wirklich verlassen. Sie tat mir Leid. Sie war so unselbständig. Sie hat sich total abhängig gemacht von Hark. Ich habe ihr sogar einmal vorgeschlagen, dass sie sich einen Liebhaber sucht.«
    »Und? Hat sie?«
    Janette schnaubte. »Dazu war sie zu feige! Oder zu träge. Geträumt hat sie davon, das ja. Aber eigentlich hat sie davon geträumt, dass Hark mit ihr in Paris shoppen geht. Geld war ja da. Oder dass er mit ihr nach Berlin zieht, damit sie wieder als Modedesignerin arbeiten konnte. Aber das war Augenwischerei. Denn einen Tisch mit Papier und Stiften kann man überall hinstellen. In Zeiten von Internet und E-Mail muss keiner mehr in München oder Berlin leben. Letztlich ist alles eine Frage der Organisation. Ich habe es ja auch hingekriegt!«
    Janette holte aus einem Schrank eine Flasche Rotwein und kramte in der Schublade nach dem Korkenzieher.
    »Sibylle hat immer erwartet, dass man ihr alles auf dem Silbertablett serviert. Reiche Tochter reicher Eltern eben. Alleine hat sie ihren Arsch nicht hochgekriegt! Ei nes Tages ist mir dann echt der Kragen geplatzt. Im Winter vor ihrem Tod. Wir saßen in einem Café in Laichingen, wo man die Kinder spielen lassen konnte.«
    »Im dili ? Das kenne ich.«
    »Keine Ahnung, ich war nie mehr dort seitdem. Sie hat ja immer erwartet, dass ich mich ins Auto setzte und zu ihr kam. Als ob ich nicht genug Fahrerei gehabt hätte. Und dann immer dieselbe Platte. Wozu Hark eine Frau brauche und ein Kind, wenn er nie daheim sei. Wozu einen Garten, wenn sie es sei, die ihn jäte. Er sei besessen von seinen Höhlen. Pathologisch sei das. Ich konnte es plötzlich nicht mehr hören, weißt du. ›Dann tu doch was!‹, habe ich gesagt. ›Beweg dich. Du wirst sowieso langsam fett! Glaubst du, Hark findet das attraktiv? Immer forderst du von ihm, dass er mit dir irgendwohin fährt. Aber warst du jemals mit ihm klettern? Du musst dich nur darauf einlassen. Hast du dich denn jemals wirklich für Harks Sachen interessiert? Wenn er nach Hause kommt, dann empfängst du ihn mit Vorwürfen, dass er nicht öfter da ist. Welcher

Weitere Kostenlose Bücher