Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Höhlenangst

Höhlenangst

Titel: Höhlenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
Vom Netzwerk:
sich in einem Lächeln und fuhr zusammen. »Ach so, ja, ein Kaffee. Kommt sofort.« Sie fand unfallfrei den Weg nach draußen.
    Was sich wohl hinter der geschlossenen Reihe der Kirschholzschränke verbarg? Frau Bentle hinderte mich daran nachzuschauen. Immerhin kam sie mit der Bestätigung des Steuerberaters, dass mein Ansinnen im Prinzip statthaft war.
    »Und was wollen Sie nun sehen?«
    »Bringen Sie mir einfach alle Ordner mit den Geschäftsunterlagen. Ich finde mich dann schon zurecht.«
    »Ich weiß nicht …«
    Ich lächelte. »Ihr Steuerberater sollte eigentlich das Szenario einer Umsatzsteuernachschau mit Ihnen besprochen haben. Aber offenbar ist das nicht der Fall.«
    Frau Bentle besann sich, dass sie nicht dafür bezahlt wurde, ihren Arbeitgeber vor dem Finanzamt zu schützen. Das Fräulein Busen brachte den Kaffee, Frau Bentle die fünf Ordner. »Vielen Dank«, sagte ich. »Ich melde mich, wenn ich Fragen habe.«
    Nur zögernd ließen sie mich alleine. Aus unterschiedlichen Gründen, von denen ich die Sabine Busens gern gekannt hätte. Aber letztlich besann sich auch ein Wichser dann doch rasch auf seine Aufgabe. Ich blätterte und wünschte mir Richards bissiges Hirn für die versteckten Botschaften von Bilanzen. Ich sah nur Rechnungen für Maler- und Sanitärarbeiten, Mobiliar und Computer. Man hatte nicht gespart, aber die Rechnungen deckten sich mit der Ausstattung. Allerdings suchte ich nicht eigentlich nach Umsatzsteuerbetrug.
    Die Protokolle der Gründungs- und Gesellschafterversammlungen, die mich als Buchprüfer im besonderen Auftrag nichts angingen, waren glücklicherweise nur in geringer Zahl vorhanden. Bei der dritten Gesellschafterversammlung im Januar hatte man das Jahresgehalt des Geschäftsführers Erich Schorstel von 305.000 Euro auf 1,4 Millionen Euro heraufgesetzt.
    Hups!
    Und zwar auf Vorschlag des Hauptgesellschafters der Beteiligungs-GmbH, Ivan Räffle, der, hätten die anderen Gesellschafter – nämlich IPE und die Canfax – dagegen stimmen wollen, den Beschluss mit seiner Anteilsmehrheit hätte durchsetzen können.
    Ich lehnte mich zurück, faltete die Hände hinter dem Kopf und sonnte mich mit einem Blick aus dem Fenster auf eine Lagerhalle in meinem Erfolg. Fragen wir nicht, wofür Erich Schorstel dieses Gehalt bezog. Zu tun gab es hier nichts. Das aber von zwei Sekretärinnen!
    Immerhin klingelte ab und zu das Telefon. Zum Beispiel jetzt.
    Ich riss mich zusammen. Nächster Ordner. Er enthielt die ausführliche Version der Ausschreibung für die Erschließung des Truppenübungsplatzes Münsingen, die schon die IPE ins Netz gestellt und vergessen hatte wieder herauszunehmen. Um den Auftrag beworben hatte sich – Überraschung! – Ivan Räffle. Seine Unterlagen umfassten zweihundert Seiten! Die Bewerbungsunterlagen einer Firma mit Sitz in Wilna beschränkten sich auf zehn Seiten in bedenklich fehlerhaftem Deutsch. Beeindruckend aber die Auflistung der einzelnen Dienstleister, die die Litauer unter ihrem Dach vereinigten, angefangen bei Gärtnern und Biologen über Hochtiefbau bis hin zu Schreinern, Schneidern und Blechbiegern. Und sicher billiger als Räffle. Worin seine Trümpfe bestanden, konnte ich nicht erkennen, wenn ich die Seiten nur unterm Daumen durchlaufen ließ. Ich musste auf Eingebungen hoffen. Aber ein Klingeln draußen im Sekretariat verscheuchte diese Muse der Buchprüfer, ehe sie sich zeigte. Ich schlug den Ordner zu, schob ihn weg und zog den mit den Rechnungen zu mir heran. Keine Sekunde zu früh.
    Erich Schorstel schoss herein wie eine Kanonenkugel. Er musste sein Sekretariat waagerecht durchschlagen ha ben.
    »Was isch das, was Sie hier machen? Umsatzsteuerbeschau? Wollen Sie mich verarschen?« Er sprach ein Politikerschwäbisch mit betonten Endsilben.
    »Umsatzsteuernachschau«, korrigierte ich sanft.
    »Und wer hat das angeordnet? Den Chef des Finanzamts Reutlingen, den kenne ich nämlich gut.« Schorstel war kaum Mitte dreißig, aber gut im Futter. Und er hatte Freunde!
    Ich stand auf und zog die blaue Karte meines Kampfsportvereins. Im Zustand gesteigerter Kampfbereitschaft konnte kein Mensch lesen, und kein Mensch verstand meinen Vornamen, wenn ich ihn nicht betonte. »Guten Tag, Lisa Nerz ist mein Name. Und Sie sind Herr Schorstel? Angenehm. Frau Bentle und Frau Busen waren so freundlich, mir –«
    Der Rest blieb mir im Hals stecken. Denn mit geisterhafter Plötzlichkeit war ein weiterer Mann in der Tür erschienen. Mittelgroß, Anfang fünfzig,

Weitere Kostenlose Bücher