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Höhlenangst

Höhlenangst

Titel: Höhlenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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Mann soll da denn noch nach Hause kommen wollen?‹«
    Für den Mann unserer besten Freundin sind wir allemal die bessere Frau, dachte ich. Zumindest dachte ich, dass ich es nur dachte.
    »Wie bitte?«, schnappte Janette.
    »Wie geht das mit der Spülmaschine?« Ich ratschte den Knopf einmal rundherum durch die verschiedenen Einstellungen von öko bis viel Schmutz und hörte, wie innen die von Janette vorhin bereits gefüllte Spülmittelklappe aufschnappte.
    »Lisa, du wirst doch wohl wissen, wie man mit einer Spülmaschine umgeht!« Janette stellte Flasche und Korkenzieher auf den Tisch, riss die Klappe auf, füllte neues Pulver nach, schloss sie wieder und stellte den Knopf auf Ein. Die Pumpe begann zu würgen.
    »Und wie hat Sibylle deine Standpauke aufgenommen?«, fragte ich.
    »Sie war sauer.«
    »Aber man muss doch auch mal die Wahrheit vertragen, unter Freundinnen«, sagte ich im Brustton falscher Überzeugung und nahm Janette Flasche und Korkenzieher aus den schwachen Händen.
    »Ja, ich wollte ihr doch nur helfen«, behauptete sie. »Im Grunde habe ich ihre Ehe gerettet! Das Selbstloseste, was ich je in meinem Leben getan habe.« Sie lachte jurakalkig. »Eigentlich hätte ich allen Grund gehabt, sauer zu sein!«
    Und sie war es immer noch. Ich stach in den Korken.
    »Na ja, eine Weile war dann auch Funkstille. Doch auf einmal rief sie wieder an. Es war zwei Wochen vor ihrem Tod.« Janette holte zwei Gläser und stellte sie auf den Tisch. »Florian und ich wollten am nächsten Tag in Ur laub fliegen, für zwei Wochen.«
    Ich entkorkte quietschend die Flasche.
    »Sibylle wollte sich mit mir treffen. Wir haben ausgemacht, dass wir uns gleich nach meiner Rückkehr sehen. Aber dazu kam es nicht mehr. Sie erzählte noch, dass Hark und sie sich wieder näher gekommen seien. Und sie bedankte sich bei mir. Ich hätte ihr die Augen geöffnet. Als hätte sie sich von mir … von mir verabschieden wollen, habe ich manchmal gedacht. Sie sei den ganzen Sommer über mit Hark klettern gewesen. Er sei sehr liebevoll gewesen, sehr geduldig, obgleich sie ein bisschen Höhenangst habe. In zwei Wochen sei es so weit, ihre erste Höhlenfahrt.«
    Ich füllte die Gläser. »Der Todsburger Schacht war Sibylles erste Höhle?«
    »Ja, und … und dann stirbt sie und … und ich bin schuld!«
    »Ach was, Unsinn!«
    Janette griff nach dem Glas. Es wackelte in ihrer Hand. »Ich war nicht da. Ich war wieder nicht da!«
    »Aber da kannst du doch nichts dafür.«
    Der Wein schwappte ihr über die Hand und platschte auf den Boden. Aus Janettes Augen sprangen die Tränen.
    Ich nahm ihr das Glas weg und stellte es auf den Tisch. Dann zog ich das Küchenhandtuch vom Halter, trocknete ihre Hand und ihr Glas ab, feudelte über den Boden, kickte das Handtuch unter den Tisch und zog meine schluchzende Schöne in die Arme. Vorsicht, nicht die Hand den Pobällchen nähern!
    »Gibt es eigentlich nichts Wichtigeres im Leben«, sag te ich, »als herauszufinden, wie viel Promille man Schuld am Unglück der Freunde hat?«
     

11
     
    Befreit rollte ich in den Dienstag, angetan mit einem Anzug von Florian, den Janette mir kichernd aus seinem Schrank geholt hatte. Im weißen Porsche mit Schlips und Kragen fühlte man sich gleich wie ein Wichser auf Freigang. Dem Blick des Bürohengsts im Außendienst offenbarte Münsingen das Fenster mit dem Herzen, wo man sich eine Viertelstunde lang von einer Lackledernen auspeitschen ließ, um sich für den Auftritt als Staatsmacht mit der nötigen hormonellen Arroganz zu rüsten.
    Die Natra GmbH hatte die Büroräume in einem Neubau im ehrgeizigen Gewerbegebiet von Laichingen zwischen Gartenbau, Druckerei, Wäschefabrik und Jac quardweberei angemietet. Der Bau besaß mehr Briefkäs ten als Büromodule. Auf einer Klingeltaste klebte ein Zettel mit der handschriftlichen Aufschrift »Natra GmbH«.
    »Ja bitte?«, meldete sich eine Frauenstimme in der Gegensprechanlage.
    »Finanzamt Reutlingen, Nerz«, antwortete ich.
    Der Summer verschluckte sich fast. Im zweiten Stock eines Treppenhauses, in dem noch der Staub gerade abgezogener Handwerker knisterte, erwartete mich eine halb offene Riffelglastür. Ich stand übergangslos in ei nem Sekretariat. Links ein Ständer mit Prospekten, eine Theke quer, dahinter ein Doppelschreibtisch mit Flachbildschirmen, Telefonanlage und Ablagen. Auf dem Fensterbrett ein Kaktus. An einer Wand graue Aktenschränke, verschlossen.
    »Grüß Gott, die Damen!«, sagte ich und schmierte ein

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