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Höhlenangst

Höhlenangst

Titel: Höhlenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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man Angst hat, dass die Eltern sich trennen.«
    Ich kappte die Strünke. »Und woher willst du das wissen?«
    Richard blickte mich an, als seien Haut und Knochen kein Hindernis für seinen Blick in mein Gehirn. Ich hatte schon immer den Verdacht, dass er im Gegensatz zu mir, die ich dort zu Hause war, meine synaptischen Kurzschlüsse sehen konnte. »Sie benimmt sich wie du«, sagte er. »Und du hast ja auch immer Angst, verlassen zu werden.«
     
    Ich warf die rotgrünen Rhabarberstrünke in die Spüle und stieg hinauf, mich umziehen. Als ich in häuslicher Unisexkluft wieder hinunterkam, saß Richard am Küchentisch, und Janette stellte Mehltüte, Zuckertüte, Eierschachtel, Rührgerät um eine Rührschüssel herum auf, offenbar entschlossen, ihren freien Tag an einen Kuchen zu verschwenden.
    Auf dem Tisch stand schon der Aschenbecher, und im Luftzug des offenen Fensters verwirbelte Janettes Halbsatz: »… dachten wir doch alle, sie sei lesbisch.«
    Du Aas!, dachte ich und trat ein.
    Richard spielte mit Janettes rotem Plastikfeuerzeug.
    »Ah, da bist du ja, Lisa«, sagte Janette, den Hals wendend. »Kannst du den Rhabarber abziehen? Die Messer sind dort in der Schublade.«
    Ich wählte ein Messer.
    Laura rollte auf Inlinern in die Küche.
    »Nicht im Haus!«, rief Janette. »Wie oft habe ich dir das schon gesagt.«
    »Toll kannst du das«, bemerkte Richard und fing sie mit einem schnellen Griff auf, bevor sie mit dem Kopf gegen die Kante eines Küchenmöbels krachte, weil die Roller sich in einer Nut der Küchenbodenplatten verhakt hatten.
    Meine Nerven!
    Nicht zu reden von Janettes. Richard verhinderte die Explosion, indem er Laura bei der Hand nahm und hinauslotste. Segensreiche Ruhe kehrte ein.
    »Das ist also dein phänomenaler Staatsanwalt!«, bemerkte Janette. »Endlich mal ein Mann, der sich gut anzieht!« Sie schlug die Eier am Schüsselrand auf. »Aber ist er nicht ein bisschen zu alt für dich?«
    »Hast du ihm darum erzählt, dass ich als Dorflesbe verschrien war?«
    Janette lachte überstürzt. »Will er denn wenigstens Kinder? Du wirst ja auch nicht jünger, Lisa.«
    »Ich kann keine Kinder zeugen«, sagte Richard, der gespensterleise in der Küchentür erschienen war. »Au ßerdem ist es nicht entscheidend, ob der Mann Kinder will.«
    »Du Trottel«, säuselte ich. »Das ist ein Küchenge spräch! Da haben Männer nix zu sagen.«
    »Ah!« Er setzte sich wieder.
    Blickreiche Pause. Ich linste Janette auf die Hinteräp fel, und ich wusste, dass Richard dasselbe tat, vielleicht um sie mit meinen Schinken zu vergleichen.
    »Mein Gott, Lisa!«, rief Janette plötzlich. »Doch nicht so. Du hast wohl noch nie Rhabarber geschält.« Sie nahm mir Stange und Messer aus der Hand. »Hier oben einschneiden und dann die Fasern abziehen!«
    »Hübsch, wie du das machst«, sagte ich tuntig und wischte ihr ein Mehlstäubchen von der Schulter. Sie fuhr zurück an ihre Schüssel. Was sollte sonst der Herr von ihr denken, nachdem er gerade erfahren hatte, dass ich lesbisch sei?
    »Wie war das, Richard?«, fragte ich, mich zu unserem Zuschauer am Tisch umwendend. »Wolltest du nicht ein paar Fragen stellen?«
    Auch Janette drehte sich um. »Ja, das mit der verschwundenen Leiche ist wirklich interessant, nicht?«, marplete sie los. »Die entscheidende Frage ist doch: Wer hat Sonntagabend von Lisas Fund gewusst und wer hatte Gelegenheit und Fähigkeit, sie noch in derselben Nacht aus der Höhle zu holen. Und natürlich, warum.«
    »Hm«, machte Richard.
    Mein Messer knackte durch Rhabarberfasern. Als ich zog, kam der halbe Stiel mit. »Was ist eigentlich mit Mirjam Kerner?«
    »Die ist nicht von hier.« Und mit einem Schulterblick auf den Mann ergänzte Janette: »Frau Kerner ist die Klassenlehrerin von Laura, Gerrit und Julian. Sie macht hier nur eine Schwangerschaftsvertretung. Das Wochenende verbringt sie meistens bei ihrem Freund in Stuttgart. Computerbranche.«
    »Und warum war sie dann das verlängerte Pfingstwochenende nicht bei ihm?«, fragte ich.
    »Weil er hier war.« Janette ließ die Quirle durch die Eier und den Zucker rattern. »Sein Motorrad stand vor ihrer Tür. Sie wohnt gleich hier um die Ecke. Wahrscheinlich sind sie jetzt gemeinsam auf Tour, denn ihr Auto steht immer noch hier.« Janette schnippelte Butter in die schaumige Masse. »Aber die haben bestimmt nichts mit Höhlen am Hut.«
    »Eine Hausdurchsuchung würde Klarheit schaffen«, sagte ich protzig. »Wer klettert, hat Seile und

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