Höhlenangst
Karabiner.«
Janette blickte sich doch tatsächlich zum Staatsanwalt um.
»Und Julians Vater, wo war der am Sonntagabend?«, fragte ich an seiner Stelle weiter.
»Der sitzt im Knast.«
»Und das sagst du jetzt erst?«
»Im Knast kann er ja nun wirklich nichts anrichten! Auch wenn er wegen schwerer Körperverletzung in Tateinheit mit räuberischer Erpressung sitzt. Er hat in Reutlingen eine alte Frau an einem Bankautomaten bedroht und gezwungen, Geld abzuheben.« Janette bestäubte sich, die Küche und die Rührschüssel mit Mehl, während ich meine letzte Stange Rhabarber abzog. »Offiziell ist er auf Montage. Was Julians Mutter nutzt, um sich mit einem Liebhaber zu besaufen. Julian bleibt meist sich selbst überlassen.«
»Klein schneiden?«, fragte ich.
»Aber nicht zu klein.« Janette dimensionierte mit butterfettigem Daumen und Zeigefinger.
»Dann kommen wir zu Hark Fauth«, nahm ich den Faden wieder auf, »auch wenn er längst weg war, als ich damit auftauchte, dass ich eine Leiche gesichtet habe. Allerdings wusste er, dass ich bis zum Toten Ende hinunter gemusst hatte. Das habe ich am Perlsinter nach oben gemeldet. Und wenn er wusste, dass da unten ein Toter steckt, dann musste er annehmen, dass ich ihn gesehen habe.«
»Das würde heißen«, sagte Janette, »dass er der Mörder … der Täter wäre.«
»Na und? Wenn es nach dir geht, hat er doch auch schon seine Frau umgebracht.«
»Das habe ich nie gesagt!«
»Oder gelten für den Gattenmord mildernde Umstän de, während der Zeugenmord inakzeptabel ist?«
»Was für ein Zeuge denn?«, murmelte Janette. »Es gab doch keinen!« Sie linste zu Richard hinüber, der die Li der auf seine Hand und das Feuerzeug gesenkt hielt.
»Aber, Janette«, trumpfte ich. »Hast du nie über eine Gerichtsverhandlung berichtet? Dann solltest du wissen, dass ein Zeuge nicht nur derjenige ist, der bei einer Tat zugeschaut hat, sondern jeder, der erhellende Aussagen machen kann. Beispielsweise ein Geliebter von Sibylle. Und gegen den könnte Hark durchaus etwas gehabt haben.«
»Aber das ist doch alles mehr als drei Jahre her!«
»Und woher wissen wir, dass der Tote nicht jahrelang da unten steckte? Wir haben ihn ja leider nicht näher in Augenschein nehmen dürfen.«
Janette schaufelte mit den Fingern den Teigklumpen aus der Schüssel, klatschte ihn auf ein Blatt Alufolie, wickelte ihn ein und steckte ihn in den Kühlschrank.
»Na gut, dann Polizeihauptmeister Heinz Rehle«, blätterte ich das Album weiter. »In welchen Vereinen mischt der mit? Feuerwehr, Polizeischießsportgruppe, Trochtelfinger Narrenzunft, Schäferlaufverein? Der steht ja auch nicht allein in der Welt. Sein Sohn Alexander ist uns ja schon sehr unangenehm aufgefallen. Sohn aus erster Ehe. Was ist mit Rehles zweiter Frau?«
»Gudrun?« Janette lachte. »Oh, das ist eine ganz Lie be. Ein wahrer Glücksgriff für Heinz. Auch finanziell. Sie ist die Tochter eines Laichinger Bauunternehmers. Ivan Räffle heißt der. Ziemlich bekannt hier heroben. Mischt der nicht auch beim Bau der Stuttgarter Messe am Flughafen mit? Das Firmenschild habt ihr sicher schon gesehen: ein Affe, der unten an einem R hängt.«
»Eieiei!«, entfuhr es mir.
Richard zündete sich endlich die Zigarette an und gab Janette, die sich zu ihm an den Küchentisch setzte, Feuer. Ich schlug, gegen die Spüle gelehnt, die Arme unter.
»Ist was?«, erkundigte sich Janette.
Die Augen meines Staatsanwalts glitten ziellos unter den Wimpern entlang. Als er sie zu mir aufschlug, waren sie entspannt. Ich durfte reden, sollte sogar.
»Räffle fehlt ein Sprengmittelingenieur. Und ohne den bekommt er von Schorstel den Auftrag zur Erschließung des Truppenübungsplatzes nicht. Da das Land in Schorstels Natra GmbH zu einem Drittel mit drinhängt, muss er EU-weit ausschreiben und den billigsten Anbieter nehmen. Allerdings dürfte es kaum in Räffles Interesse gelegen haben, seinen Sprengingenieur zu beseitigen.«
»Falls es der war, den du in der Höhle gesehen hast«, warf Richard ein. Er hatte längst begriffen, dass Räffle nicht unser Verdächtiger war.
»Aber ein Interesse daran, dass die Leiche seines Sprengmittelingenieurs nicht gefunden wird, das dürfte er haben«, widersprach ich. »Allerdings, selbst wenn er von seiner Tochter Gudrun erfahren hat, dass in der Mondscheinhöhle eine Leiche steckt, warum hätte er da gleich an seinen vermissten Sprengmittelingenieur denken sol len. Es sei denn, er hätte von dem Mord
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