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Höhlenangst

Höhlenangst

Titel: Höhlenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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gewusst.«
    »Eben«, sagte Richard.
    »Vielleicht ein Mafiamord!«, schlug ich vor. »Die Li tauer sind ja erst seit kurzem in der EU und haben womöglich unsere Gepflogenheiten noch nicht so recht ad aptiert. Das kann Räffle gewusst oder geahnt haben!«
    »Damit solltet ihr aber zur Polizei!«, sagte Janette.
     

14
     
    Ein Streifenwagen stand vor der Tür des Polizeipostens neben der Fachwerkperle. Polizeihauptmeister Rehle war auch zu Hause.
    »So«, blinzelte er Richard und mich an, »Sie glaubet zu wisse, wer der Dode isch, eh? ’s gibt aber gar koin’n Dode.«
    Im Schwäbischen konnte man Tanten und Tote leicht verwechseln, denn beide sprachen sich gleich aus. Vielleicht rührte daher meine Affinität zu Leichen. Schließlich bin ich als Kind von zugereisten Flüchtlingen jedes Mal zu Dode erschrocken, wenn Janette von ihrer Dode in Laichingen sprach.
    Aber mehr noch irritierte mich augenblicklich Richards Mutation zum Detektiv. Alle außer mir schienen dieser Tage an einer Leiche interessiert, die nur ich gesehen hatte. In Janettes Kopf klapperten die Stricknadeln von Miss Marple, Bodo Schreckle war die Habichtnase von Sherlock Holmes gewachsen, und Richard quasselte wie Lord Peter Whimsey.
    »Das ist ja das Schöne hier oben«, sagte Richard, »dass jeder jeden kennt. Seit Generationen. Man heiratet untereinander, man ist verschwägert vom Pfarrer bis zum Bürgermeister, vom Metzger bis zum Organisten und vom Polizisten bis zum Bauunternehmer.«
    Heinz fuhr sich über den Schnauzer.
    »Und man schwätzt miteinander und springt einander bei. Hier liegt keiner tot in seiner Wohnung und niemand merkt es wochenlang. Nicht wahr, Herr Polizeihauptmeister?«
    »’s isch nicht so anonym wie die Stadt, da könntet Sie scho Recht hen.«
    »Saublöd, was jetzt da Ihrem Herrn Schwiegervater passiert ist, gell? Da hat er extra diese Kampfmittelbeseitigungsfirma aufgekauft, und dann verschwindet sein einziger staatlich anerkannter Sprengmittelingenieur mit Berufserfahrung. So einen Spezialisten kriegt er nicht so schnell wieder. Vielleicht hat der Kerl sich ja ins Ausland abgesetzt, mit den Einnahmen aus dem Verkauf seiner Firma, um sich auf den Bahamas der Fischerei hinzugeben. Ist ja ein nervenaufreibender Job, den er hatte. Da ist plötzlich Schluss, und man kann nicht mehr.«
    »Sie meinet den Achim Haugk«, stellte Rehle fest. »Den hen i seit drei Jahre nemme gsehe.«
    »Er war ja auch zwei Jahre für die Bundeswehr in Afghanistan auf der Suche nach Landminen und alter Munition. Dann ist er zurückgekommen nach Münsingen zum Panzerartilleriebataillon 285, um mitzuerleben, dass es nach dreißig Jahren aufgelöst wird. Er hat seinen Abschied genommen und beschlossen, sein Fachwissen und seine Erfahrungen einer von ihm selbst gegründeten Gesellschaft für Kampfmittelentsorgung mbH zur Verfugung zu stellen. Ein halbes Dutzend Mitarbeiter hat er auf der Dresdner Sprengschule ausbilden lassen und sich moderne Sondiertechnik, Bagger, Siebanlagen und Entschärfungsgeräte zugelegt.«
    Von welchem Geld eigentlich?, fragte ich mich stumm.
    »Und da saß er nun in seinem Büro und wartete auf Aufträge. Dann kam Ihr Schwiegervater, Ivan Räffle, kaufte sich als Gesellschafter ein und versprach ihm den ersten großen Auftrag, wenn er die Ausschreibung zur Erschließung des Truppenübungsplatzes gewinnt. Doch jetzt, wo man ihn dringend braucht, ist er fort. Da haben Sie Ihrem Schwiegervater doch ein bisschen suchen hel fen, nicht?«
    »Na ja, Herr … äh …« Heinz Rehle zog die Lesebrille aus der Brusttasche seines Hemds, um Richards Visitenkarte zu studieren.
    »Und als am Sonntagabend die Leiche gefunden wur de«, fuhr Richard fort, »da haben Sie gedacht, Sie sagen es Ihrem Schwiegervater mal lieber, damit er gewarnt ist. Dass er die Leiche beseitigen lassen würde, das konnten Sie ja nicht wissen.«
    Heinz Rehle nahm die Brille ab und wurde hochdeutsch. »Herr Oberstaatsanwalt Dr. Weber. Das sind Sie? Richtig? Dr. Richard Weber, wohnhaft in Stuttgart, Kauzenhecke 6 B?«
    Richard nickte verwundert.
    »Wenn das so ist, Herr Dr. Weber, dann habe ich et was für Sie, das Sie interessieren wird.«
    Sorgsam legte Heinz die Visitenkarte auf seinem Amtstisch ab, zog eine Schublade auf und entnahm ihr einen Spurensicherungsbeutel mit silbrigem Inhalt. »Kennen Sie das?« Er beschränkte sich auf eine nur kur ze fragende Pause, denn er mochte ahnen, dass sich der Vertreter der Kotzbrockenfraktion nicht von einem

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