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Höhlenangst

Höhlenangst

Titel: Höhlenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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sein musste. Es war die Kopie einer internen Liste, ausgefertigt von der Münsinger Unter-GmbH der GEV, über die Entsorgung von zwanzigtausend demontierten Antifahrzeugminen im Jahr 2002. Und zwar als Schrott.«
    »Wird ja auch Zeit, dass man Landminen endlich verschrottet.«
    »Allerdings war in Münsingen gar keine Kampfmittelbeseitigungskompanie stationiert. Bestenfalls haben die Züge aus Sterten am Kalten Markt hier mal geübt.«
    Ich versuchte angestrengt, das für skandalös zu halten, aber es gelang mir nicht. »Und was hat Schorstel daraufhin gemacht?«
    »Er hat mich eingeladen, mit ihm und Achim Haugk den Truppenübungsplatz zu besichtigen. Sonntag vor einer Woche war das.«
    »Lass mich raten. Wer nicht kam, war Achim Haugk.«
    Richard nickte. »Schorstel berichtete, er habe sich gar nicht persönlich mit Haugk verabredet, sondern den Termin mit seinem Büro in Münsingen vereinbart. Als er am Montag nachfragte, gestand die Sekretärin ein, dass sie vergessen habe, ihm abzusagen, nachdem Haugk sich entgegen aller Erwartung aus seinem zweiwöchigen Urlaub nicht zurückgemeldet habe. Schorstel und ich haben dann, als Haugk nicht kam, auf eigene Faust mehr schlecht als recht versucht, uns ein Bild von der Gefährdungslage zu machen.«
    »Bist du wahnsinnig, Richard!«, fuhr ich auf.
    Er lächelte geschmeichelt.
    »Stapfst mit Schorstel durchs Biotop und hoffst, auf eine Mine zu treten!«
    »Die Gefahr bestand nun wirklich nicht. Es sind, wie ich mit eigenen Augen sehen konnte, bereits etliche Mountainbiker unterwegs. Ein junger Kerl auf einem roten Rad hat mich sogar beinahe auf seine Hörner am Lenker genommen.«
    Ich dachte an die martialischen Verbotsschilder an den Rändern des Trüpl. Also mir machte so was Angst. Vielleicht war ich wirklich ängstlicher geworden in letzter Zeit.
    »Na ja«, vollendete Richard mit einem kurzen Blick zu mir, »irgendwo dort, zwischen Altem Lager und Gänse wag, muss ich an diesem Sonntag mein Handy verloren haben. Vielleicht, als der Radfahrer mich fast überfuhr.«
    Das erklärte allerdings nicht, wie sein Telefon in die Mondscheinhöhle gekommen war.
    »Und was nun?«, erkundigte ich mich und nahm die Patek-Philippe-Uhr vom Handgelenk, so wie man das früher getan hatte, wenn man eine Uhr aufziehen wollte. Die Bewegung zog Richards Blick auf sich, löste aber keinerlei besitzergreifendes Blitzen aus.
    »Ich denke«, sagte er und schaute auf seine eigene Armbanduhr, ein Modell ganz ähnlicher gediegener Unscheinbarkeit, »ich sollte mich wohl mal mit dem Leiter der PD Reutlingen in Verbindung setzen. Hoffentlich ist nicht ausgerechnet Kommissar Abele mit diesem Fall befasst.«
    »Abele?« Das war doch der Maigret-Darsteller von der Mondscheinhöhle gewesen. »Was ist mit dem?«
    Richard griff nach dem Zündschlüssel. »Der spinnt!«
     

16
     
    Die Bärenhöhle lag auf dem Weg nach Reutlingen hinab. Richards Bonzenschlitten war fehl am Platz zwischen Bäumen und Kindern. Aber er fuhr ja auch gleich wieder.
    Das wendische Wetter hatte etliche Feriensklaven ihrer Kinder bewogen, sich für einen Höhlenausflug zu entscheiden. Da tropfte es ohnehin. Und wer arbeiten musste, hatte die Kinder den Großeltern übergeben, die auf ungewohnt unebenem Weg die Anhöhe hinauftaumelten.
    Das Traumland auf der Kuppe oberhalb des Höhleneingangs war ein angejahrter Vergnügungspark mit Bähnchen, Ponyreiten, Riesenrad und Dornröschenschloss aus Pappmaschee. Der Geruch nach Pferd weckte in mir kindliche Erregung. Ich löhnte am Eingang acht Euro, was mich berechtigte, alle Attraktionen beliebig oft zu benutzen. Aber meine Erregung glomm auf Sparflamme zwischen Grillplatz und Zuckerwatte, bis ich an die Kletterwand kam.
    Sieben Meter hoch, dann ein kleiner Überhang, zusammengebaut aus sechs Holzplatten mit aufgeschraubten Griffen, wie man sie bei diversen Outdoor-Firmen anmieten konnte. Zwei Kinder konnten gleichzeitig steigen, zwei Jungs im Studentenalter sicherten sie am Seil und gaben Tipps, bis die Kinder wie reife Pflaumen aus der Wand ins Seil plumpsten.
    Von Janette noch keine Spur, und es pfupferte mich. Nur mal schauen, ob ich es noch konnte. Andererseits … ich beim Kinderturnen? Ich gab mich desinteressiert und schaute mich um. Ein Stück den Weg hinunter saß hinter dem Mülleimer einer Würstchenbude auf dem Betonso ckel der Seitenwand ein schmächtiger Junge mit schwarzen, zu einem Krönchen gegelten Haaren. Seine dunklen Au gen gierten reichlich uncool die

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