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Höhlenangst

Höhlenangst

Titel: Höhlenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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jetzt stand das Wasser eben nicht mehr bis zum Kinn, sondern bis zu den Augenbrauen.«
    Ich senkte den Wasserspiegel in meinem Glas.
    »Das war aber eigentlich gar nicht weiter besorgniserregend«, fuhr Hark fort. »Wir machten aus, dass Achim als Erster durch den Siphon tauchen sollte, denn selbstverständlich wollte ich keinen Verletzten in der Höhle zurücklassen.«
    Ich nickte.
    »Ich gab ihm die volle dritte Sauerstoffflasche. Seine, die er im Achtundsiebzig-Meter-Siphon benutzt hatte, war leer. Meine eigene war noch zu einem Viertel voll. Eigentlich wollte ich ihm mit den beiden Sauerstoffflaschen folgen. Aber Achim gehörte zu denen, die nicht zuhören und letztlich immer das machen, was sie sich in ihrem eigenen Kopf vorher zurechtgelegt haben. Und er schien sich seine Rückkehr mit zwei Flaschen vorgestellt zu haben. Jedenfalls griff er sich, kurz bevor er abtauch te, eine der beiden anderen Flaschen, die am Beckenrand lagen, und war verschwunden, ehe ich registriert hatte, dass er meine gegriffen hatte, die noch zu einem Viertel voll war.«
    »Das gibt es doch nicht!«
    »Wenn einer verletzt ist und unter Druck steht – Zeitdruck, Leistungsdruck, was weiß ich –, dann macht er Fehler. Als umsichtiger Höhlenkamerad hätte Achim gewartet, bis ich mir meine Sauerstoffflasche angelegt und ihre Funktion überprüft hatte, und erst dann wäre er abgetaucht. Allerdings konnte er seinen Fehler ja nun ganz leicht wieder gutmachen, indem er zurückkehrte, sobald er festgestellt hatte, dass ich ihm nicht folgte, weil er meine Flasche mitgenommen hatte. Sein Sauerstoff hätte dafür noch ausgereicht. Der Siphon ist ja nicht lang.
    Ich setzte mich also hin und wartete. Aber er kam nicht. Vielleicht hatte er mit seinem verletzten Fuß den Tauchgang doch nicht geschafft, dachte ich. Allerdings hätte er mir übers Führungsseil dann ein Notsignal senden können. Es hing schlaff in meiner Hand. Ich zog daran. Es straffte sich aber nicht, und auf einmal sah ich, wie das Ende sich aus dem Wasser schlängelte.«
    »Wie?«
    »Wir hatten das Seil auf der Eingangsseite des Siphons festgemacht«, erklärte Hark. »Das heißt, ich hatte nun auch keinen Ariadnefaden mehr.«
    »Wie kann das passieren?«
    »Ich kann mir das nur so erklären, dass ein paar Väter und Kinder vom Grillplatz zur Höhle raufgestiegen und hineingegangen sind, so weit sie eben kamen. Und für manche Leute ist es halt eine große Versuchung, an einem Seil herumzuspielen, wenn sie keine Vorstellung haben, wozu es dient. Und schwupp, schon ist das Seilende im Wasser verschwunden.«
    »Und jetzt?«
    »Jetzt habe sogar ich ein bisschen angefangen zu schwitzen.« Er lachte. »Das Mordloch besteht aus engen Gängen, deshalb befährt man es ohne Gepäck, nur mit frischen Batterien für die LED-Lampe. Zu essen hatte ich nichts. Wann ich im Dunkeln sitzen würde, konnte ich mir ausrechnen. Aber im Neoprenanzug mit jeder Menge Wasser zu Füßen hätte ich es wochenlang aushalten können. Außerdem durfte ich davon ausgehen, dass Sibylle spätestens nach Einbruch der Dunkelheit die Höhlenrettung alarmieren würde.« Er schmunzelte versonnen. »Sogar Gerrit konnte die Nummer der Höhlenrettung schon auswendig runterrasseln, noch ehe er seine Adresse herzusagen wusste. Ich brauchte mir also um mich keine Sorgen zu machen. Aber ich machte mir Sorgen um Achim. Wenn er im Siphon verunglückt war oder die Orientierung verloren hatte, weil das Führungsseil sich gelöst hatte, dann durfte ich nicht zögern. Denn ihm wür de der Sauerstoff in Kürze ausgehen.
    Ich rechnete mir aus, dass inzwischen dreißig Meter des Siphons unter Wasser standen. Er hat bei niedrigem Wasserstand zwei Auftauchstellen, und eine würde vermutlich noch nicht ganz geflutet sein. Ich schaffte also die beiden Sauerstoffflaschen in die höher gelegene Gammahalle zurück, verankerte das Seil und …«
    Da brachte die Wirtin die dampfenden Forellen. Dazu stellte sie Kartoffeln und ein Schälchen mit zerlassener Butter. Irgendwie erinnerten mich diese Viecher, wie sie sich bläulich glänzend auf dem Teller kringelten, an Blutegel.
    »Du wolltest ohne Sauerstoff tauchen?«, lenkte ich mich ab. »Das klingt ein bisschen wagemutig.«
    Hark ergriff Fischmesser und Gabel. »Ja, die Situation hatte aufgehört berechenbar zu sein. Nichts lief, wie es sollte.«
    Er ritzte die Haut der Forelle am Rückgrat auf und schob das weiße Fleisch von der Gräte, während ich meinen Fisch in Buttersoße

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