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Höhlenangst

Höhlenangst

Titel: Höhlenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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und zweie für sich, denn er wollte auch den so genannten Achtundsiebzig-Meter-Siphon durchtauchen. Eine Flasche ließen wir nach dem ersten Siphon in der Gammahalle zurück, dem einzigen größeren Raum in der Höhle, und mit den beiden anderen zwängten wir uns durch die südlichen Gänge am Wasserfall vorbei …«
    »Oh, ein unterirdischer Wasserfall! Das würde ich auch gerne mal sehen. Leider habe ich gar keine Ahnung vom Tauchen.«
    Hark lächelte. »Taucherfahrung allein hat keinen Wert. Höhlentauchen ist der gefährlichste Sport überhaupt. Der kleinste Fehler ist tödlich. Man muss absolut resistent gegen Panik und gegen Abenteuerlust sein. Es gibt alte Höhlentaucher, sagt man, und mutige, aber es gibt keine mutigen alten Höhlentaucher.«
    Die Getränke kamen.
    »Achim war der mutige Typ. Einer, der auf Biegen und Brechen tut, was er sich vorgenommen hat. Ohne Rücksicht auf Verluste. Beispielsweise verschwieg er mir, dass mit lokalen Gewitterschauern zu rechnen war. Er durfte zwar annehmen, dass auch ich den Wetterbericht kannte, aber lieber einmal zu viel etwas gesagt als einmal zu wenig.«
    Eine ungewöhnliche Ansicht für einen Mann.
    »Zwar sah es im Roggental nicht nach Gewitter aus. Aber das weiß man ja nie. Und gerade das Mordloch reagiert empfindlich auf Regen. Kann natürlich sein, dass Achim das nicht wusste.
    Oder nicht wissen wollte. Das Samstagssyndrom, wie ich das nenne. Höhlentouren von Hobbyforschern müssen meistens samstags stattfinden. Man hat sich halt verabredet, man hat Fahrgemeinschaften gebildet, man hat alles gekauft, gepackt, die Ehefrauen haben es erlaubt, und da will man nicht alles verschieben. Wieder alle zusammentrommeln, wieder die Ehefrauen beruhigen, die auch mal planen wollen.«
    Ich lachte. Hark hob sein Glas gleichzeitig mit mir, zwinkerte mir zu und zog ein paar durstige Schlucke unterm Bierschaum weg. Sein Adamsapfel sprang unter der hellen Haut mit den rotgoldenen Flöhen eines am Morgen nicht ganz ausrasierten Bartwuchses.
    »Dass Achims Selbsteinschätzung nicht stimmte, merkte ich am Achtundsiebzig-Meter-Siphon. Er hatte für den Tauchgang eine halbe Stunde veranschlagt. Aber nach einer Dreiviertelstunde war er immer noch nicht zurück. Und als ich am Führungsseil zog, antwortete er nicht.«
    Ich zog die Brauen hoch.
    »Wer ein alter Höhlentaucher werden will«, erklärte Hark, »der taucht nie ohne den Ariadnefaden. Ohne Seil würde man den Rückweg nicht finden, wenn die Lampen versagen oder das Wasser plötzlich trüb wird. Außerdem kann man über das Führungsseil mit demjenigen kommunizieren, der am Siphoneingang wartet. Andererseits kann so ein Seil auch zur Falle werden, wenn es sich im Fels verhakt. Den Eindruck hatte ich, als ich an Achims Seil zog. Es straffte sich, aber es gab nicht nach. Also legte ich mir meine Sauerstoffflasche an und stieg in den Siphon. Am Ende, nach fast siebzig Metern, stieß ich auf Achim. Das Seil war leicht vom Felsvorsprung zu lösen. Doch als wir aus dem Siphon stiegen, konnte Achim kaum laufen. Er sagte, er sei mit dem Fuß in eine Felsspalte geraten und habe ihn sich verdreht. Und inzwischen war der Wasserspiegel im Siphon deutlich gestiegen.«
    »Oh!«
    »Kein Grund zur Beunruhigung! Wir waren gut ausgerüstet.
    Allerdings brauchten wir für den Rückweg viel länger, weil Achim den Fuß kaum belasten konnte. Dabei hatte gerade er es ziemlich eilig. Er hatte nämlich die Rückkehrzeit, die er bei einer Freundin hinterlegt hatte, zu knapp bemessen. Ich versuchte ihn zu beruhigen und erklärte ihm, dass die Höhlenrettung sich selber ausrechnen kann, wann wir ungefähr wieder herauskommen müssen. Und wenn die hören, dass es sich um zwei erwachsene Männer mit Höhlenerfahrung handelt, dann kommen die ohnehin nicht voreilig mit dem großen Einsatzwagen angefahren. Aber so ganz konnte Achim seine Nervosität nicht ablegen.
    In der Gammahalle nahmen wir unsere dritte Sauerstoffflasche wieder auf. Als wir endlich den steilen und lehmigen Schluf in die Betahalle hinabgerutscht waren, stand der Wasserspiegel im ersten Siphon schon einen halben Meter höher als knapp fünf Stunden zuvor.«
    »Fünf Stunden!« Wo blieben eigentlich die Forellen?, fragte sich eine Nebenstelle in meinem Hirn. »Und da wusstest du noch, wie hoch das Wasser vorher stand? Strichle machen hilft ja nicht. Die sind überflutet.«
    Hark lächelte. »Mit der Zeit kriegt man ein Gedächtnis für Steinformationen. Eine Felswand hat ein Gesicht. Und

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