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Höhlenangst

Höhlenangst

Titel: Höhlenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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die Grillsteine gesprungen. »Du …« Er hämmerte mir den kurzen, aber dicken Zeigefinger ins Brustbein. »Du Grott, du hast gar keinen Rüssel.«
    Ich stolperte rückwärts über Wurzelwerk.
    »He!«, rief Hark. »Winnie! Lass das Mädle in Ruh!«
    »Ha, Mädle! Guter Witz!« Winnie entriss Hark seinen Arm und stippte mich ins Unterholz. »Unter Mädle versteh ich aber was anderes. Nicht so einen Frankenstein!«
    »Jetzt ist aber gut!« Hark packte derber zu. Auch sein beinharter Ton ließ ahnen, warum ganze Kerle wie Winnie ihn immer noch als Alphatier respektierten.
    »Na ja, Titten hast du ja immerhin«, bemerkte Winnie und überprüfte blitzschnell das Gesehene mit der Hand, bevor Hark ihn zurück auf den Platz stieß. »Nix für ungut! Das warst du mir schuldig, Lisa!« Und plötzlich fing er an zu lachen. »Schwanzvergleich! Was hättest du denn gemacht, wenn ich meinen ausgepackt hätte?« Er lachte, dass der Felsen hallte, blähte den Brustkorb, ließ das Brustbein knacken – Hände in die Hüften gestemmt, von denen sich der Schlaz pellte, Schulterblätter zusammen – und trollte sich dann lachend zu seiner roten Spinnentasche.
    Auch Hark kehrte zur Filmstation zurück. Er hatte, wenn ich es recht bedachte, den ganzen Vormittag kein Wort direkt an mich gerichtet. Während er und Winnie die Technik auseinander stöpselten, nahm Rehle sein Handy, sagte: »Rufsch zurück?«, wartete das Klingeln ab und begann seine amtlichen Telefonate. Offenbar hatte die Verwaltungsreform den Bullen keine Diensthandys beschert.
    »Wo hat man eigentlich am Sonntag das Handy gefunden?«, erkundigte ich mich bei Janette, während wir herumstanden.
    »Winnie hat es gefunden. Hier oben irgendwo, glaube ich. Wir haben gedacht, es sei deines, Lisa. Deshalb habe ich dich doch angerufen. Wir wollten testen, ob es klingelt, aber dann warst du selber dran. Wahrscheinlich hat es irgendein Wanderer bei der Rast liegen lassen. Du glaubst ja gar nicht, was nach einem Wochenende so an Handys in den Fundbüros abgeliefert wird. Ich habe mal einen Artikel darüber geschrieben.«
    Hark stellte die Taschen mit der Kamera und dem Monitor zu Winnies Sachen und übergab Rehle die Speicherkarte aus der Kamera, die der Polizist in seine Brusttasche steckte.
    Ansonsten standen wir herum. »Worauf warten wir eigentlich noch?«, fragte ich Janette.
    »Du musst ja nicht warten«, antwortete sie, bereit, die großen Fragen der Freundschaft mit einer Banalität zu verknüpfen. »Aber ich muss leider hier bleiben, bis die Polizei kommt, Spurensicherung, Polizeiarzt, was weiß ich, was die PD Reutlingen heraufschickt. Immerhin haben wir jetzt eine Leiche.«
    »Dann warten wir halt«, sagte ich friedlich.
    Hark saß schon seit einer Weile auf dem Baumstamm und starrte ins Leere.
    »Inner Schtund!«, schnaufte Heinz Rehle in sein Telefon. »Alles klar!«
    »Noch eine Stunde«, seufzte Janette und blickte sich um. Schon seit einiger Zeit treppelte sie von einem Fuß auf den andern. »Dann könnte ich immerhin ja noch mal schnell in die Pilze verschwinden.«
    Während sie engschenkelig den Hohlweg hinunterhoppelte, setzte ich mich neben Hark auf den Baumstamm und schwieg, wie Männer schweigen, wenn sie angeln. Nach einer Weile änderte sich sein Atem. Sein rechtes Knie neben mir wippte. Dann räusperte er sich. »Darf ich dich mal was fragen?«
    »Hm.«
    »Warum hast du das gemacht, gestern?«
    »Was?«
    Er schob den Blick in die Augenwinkel. »Hast du mich lächerlich machen wollen?«
    »Vielleicht erinnerst du dich«, sagte ich, »dass ich dir angeboten habe, uns seitwärts in die Büsche zu schlagen. Aber das hast du unter Verweis auf Regenschirme und Kinder von dir gewiesen.«
    Er schwieg.
    »Warum bist du denn überhaupt mit rein, Hark? Ir gendeine Ausrede hätte sich doch finden lassen. Ein Anruf der Höhlenrettung beispielsweise.«
    Er warf meinem Knie einen kurzen Blick zu. »Dann hättest du mich vor Gerrit wieder einen Schisser geschimpft. Und dass ich kneife. Ich habe es dir angesehen!«
    »Na, immerhin kneifst du nicht.«
    Er lachte hart. »Reine Selbstüberschätzung. Normalerweise tödlich in Höhlen. Aber nachdem du Gerrit so glücklich gemacht hast mit der Kletterei, da dachte ich: jetzt oder nie. Und erst ging es ja auch. Eine närrische Idee, ich weiß.« Er blickte mir grübelnd in die Halsgrube. »Anscheinend habe ich die Kontrolle über mein Leben vor drei Jahren im Todsburger Schacht verspielt. Und wenn eine Grott wie du will, dann

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