Höhlenwelt-Saga 02 - Leandras Schwur
feststellen, war offenbar ein ziemlich fähiger Magier gewesen.
Victor sah zu Tirao auf, der Scolar einen Augenblick, nachdem er die Magie auf sie abgeschossen hatte, aus dem Sattel geholt haben musste. Den Sturz aus einer guten Meile Höhe konnte er unmöglich überlebt haben.
Victor suchte in seinem Kopf nach den Resten der Drachensprache, die er damals gelernt hatte, und tastete nach dem Trivocum.
Tirao - kannst du mich verstehen?
Ja, Victor. Ich freue mich, dass du dich noch an unsere gemeinsame Sprache erinnerst.
Victor atmete auf. Es ging viel besser, als er gedacht hatte. Du ahnst nicht, wie froh ich bin, dich zu sehen.
Ein Gefühl kam zurück, das wie ein Lächeln war. Wie geht es deiner Begleiterin? Wer ist sie? Sie hat Faiona das Leben gerettet.
Ein tapferes Mädchen, nicht wahr?, antwortete Victor froh. Sie heißt Roya und ist eine Freundin von Leandra.
Der andere Drache - offenbar Faiona mit Namen - hielt sich im Hintergrund und beobachtete sie nur. Victor glaubte, seine Verwunderung spüren zu können.
Es ist ein Glück und ein Wunder, dass du kamst, fuhr Victor fort. Gehört Faiona ebenfalls zu deiner Sippe?
Nein, hieß es. Faiona stammt aus einer Sippe, die hier im Süden lebt. Sie half mir, weil ich sie darum bat.
Also ein weiblicher Drache, dachte Victor. Vielleicht Tiraos Geliebte? Dann allerdings stutzte er. Du hast ... sie um Hilfe gebeten? Das würde ja bedeuten, du hast gewusst, dass wir deine Hilfe brauchen würden!
Tirao zögerte. Ja, das wusste ich.
Victor war über die Maßen verblüfft. Das ... wusstest du? Aber ... beim Felsenhimmel, woher denn?
Tirao, der Felsdrache, schwieg für eine ganze Weile. Verstehe mich bitte, wenn ich dir sage, dass ich es dir nicht mitteilen darf. Vielleicht wirst du es eines Tages erfahren.
Victors Verwunderung wurde abgelenkt, als sich Roya in seinen Armen regte. Er fuhr ihr wieder durchs Haar, und als sie mit gequältem Blick zu ihm aufsah, küsste er sie sacht auf die Stirn.
Wo ist Leandra? Wie geht es ihr? Liebst du jetzt ... sie?
Damit hatte Tirao Roya gemeint. Victor sah zu ihr hinab und musste lächeln. Nein, erwiderte er. Mein Herz schlägt noch immer für Leandra. Allerdings ... wenn es sie nicht gäbe ...
Er blickte zu Tirao auf und spürte, dass der Drache so etwas wie Befremdung über seine Äußerung empfand. Er stutzte - aber es gab nichts zurückzunehmen an seiner Bemerkung. Er wollte damit allein zum Ausdruck bringen, wie sehr er Roya mochte und ihren Mut bewunderte, obgleich dies in keiner Weise seine Gefühle gegenüber Leandra minderte. Offenbar gab es doch wichtige Unterschiede in den Gefühlswelten der Drachen und der Menschen.
Er blickte in das große Drachengesicht, das über ihm schwebte. Tirao war ein gewaltiges Geschöpf - nicht minder beeindruckend, als es sein Sippenältester Meakeiok gewesen war, der damals so tragisch in Unifar umgekommen war. Leandra geht es gut, fuhr Victor fort. Ich habe sie leider lange nicht gesehen. Aber ich weiß, dass sie schon wieder in den Kampf gegen die Bruderschaft von Yoor zieht. Und ich hoffe, sie bald wieder zu sehen.
Das Drachengesicht regte sich, was wohl einem Nicken gleichkam. Ja, wir haben ebenfalls vernommen, dass die Bruderschaft damals nicht wirklich besiegt wurde. Und wir wissen auch, dass eine noch größere Gefahr auf die Welt lauert.
Victor nickte bestätigend. Ja, Meakeiok hat damals schon Andeutungen gemacht - die wir leider nicht zu deuten wussten. Jetzt kennen wir sogar den Namen dieser Gefahr. Es sind die Drakken - schreckliche Echsenwesen, die unsere Welt in ihre Gewalt bringen wollen. Er machte eine kurze Pause. Tirao, ich brauche deine Hilfe. Wir müssen an einen Ort gelangen, der weit von hier entfernt liegt. Wirst du uns dorthin bringen?
Deswegen bin ich hier, sagte der Drache.
Victor stutzte.
Schon wollte er fragen, woher Tirao all dies wissen konnte, dann aber schluckte er seine Frage hinunter. Es schien sich wieder um jenes Geheimnis zu handeln, über das Tirao nicht sprechen wollte - oder durfte. Victor seufzte und gab sich vorerst damit zufrieden. Irgendwie passte so etwas zu diesen erstaunlichen Geschöpfen und verlieh ihrer Begegnung eine geheimnisvolle Spannung.
Roya regte sich, und er sah, dass sie die Unterhaltung mitbekommen hatte. Ein leiser Schreck durchfuhr ihn und er schluckte.
Sie lächelte ihm zu, mit einem Gesichtsausdruck irgendwo zwischen Schmerz und Belustigung. »Du siehst mich an, als hättest du mich eben versehentlich
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