Höhlenwelt-Saga 02 - Leandras Schwur
einleuchtend, und sie verstand auch gleich, warum es anstrengend war. Der Akt, ein Aurikel zu erzeugen, glich gewissermaßen einem Messerstoß in eine nachgiebige Wand, mit dem man ein Loch erzeugte, dessen Größe man danach kontrollierte. Je stärker der Stoß, desto größer die Willensanstrengung des Magiers - und desto höher die Iterationsstufe. Natürlich musste der Stoß gezielt und sauber sein, um keine unkontrollierte Verletzung des Trivocums auszulösen. Verwendete man seine Willenskraft auf andere Art und Weise, musste es durchaus möglich sein, das Trivocum zu glätten und zu beruhigen. Allerdings war dies, wie Leandra sich zusammenreimte, ein ständig währender Akt - im Unterschied zu dem kurzen Stoß der Aurikel-Erzeugung. »Also, wenn das möglich ist ... sollten wir es versuchen«, sagte sie. »Uns bleibt kaum eine andere Möglichkeit.«
Hamas hatte bereits eine Stelle ins Auge gefasst. »Hier«, sagte er und deutete auf die Karte. »Dieser Punkt ist am weitesten entfernt von der Halle. Ich erinnere mich an die Mauer. Sie war ziemlich nass. Vielleicht hilft uns das.«
»Möglich«, sagte Meister Fujima. »Also dann - lasst uns aufbrechen!«
Mit neuer Hoffnung machten sie sich auf den Weg.
Hamas führte sie sicher und nach zehn Minuten erreichten sie die besagte Stelle. Meister Fujima übernahm das Kommando. Er wies Gablina an, jene erforderliche Aura der Auflösung zu erzeugen, während er, Xarbas und Leandra sowie später die drei Magier der zweiten Gruppe sich um das Trivocum kümmern sollten. Die drei ›dienstfreien‹ Magier und auch die Hälfte der Nichtmagier, welche für das Abtragen der Steine zuständig waren, sollten sich jeweils ausruhen.
Dann machten sie sich an die Arbeit.
39 ♦ Rohe Magie
»Nett«, sagte Chast. »Wirklich nett.« Er marschierte in seinem Arbeitszimmer auf und ab und war nahe daran, die Beherrschung zu verlieren. Am anderen Ende des Raumes, in Fluchtnähe zur Tür, standen zwei Duuma-Soldaten und zwei Bruderschaftsmagier, deren Namen er nicht einmal kannte.
»Die Stadt befindet sich im Aufstand, Großmeister Karras ist tot, die Drakken sitzen mir im Genick und von Rasnor und Quendras gibt es keinerlei Nachricht«, fasste er zusammen.
Er blieb stehen und sah mit gespielt freundlichen Blicken die vier Leute an. »Dieser Victor fliegt mit seiner kleinen Roya ungestört nach Palimbaan und wird vermutlich in Kürze den Pakt besitzen. Leandra ist uns wieder einmal durch die Lappen gegangen. Und diese beiden da unten in den Quellen habt ihr auch noch nicht.« Er warf die Arme in die Luft. »Was will ich mehr? Alles klappt wie am Schnürchen!«
Die vier Leute standen wie ein Häuflein verschreckter Schafe beieinander. Sie schienen sich ihre Aussichten auszurechnen, wie schnell sie zur Tür gelangen konnten, um ihr Heil in der Flucht zu suchen.
Chast lächelte und nickte. »Ich kann mich langsam des Eindrucks nicht mehr erwehren, dass das Hauptmerkmal unserer Bruderschaft die Dummheit ist. Die Dummheit und die Unfähigkeit. Niemand ist in der Lage, eine einfache Aufgabe zu Ende zu bringen. Was meint ihr?«
Chast lachte leise auf, als er sah, dass seine Leute angstvoll nickten.
Am meisten Zorn empfand Chast darüber, dass sich Karras, dieser eingebildete Idiot, seinem Befehl widersetzt hatte und nicht mit hinab in die Quellen gegangen war. Er war es, der den Brand entfacht hatte, der vom Roten Ochsen ausgegangen war. Vermutlich hatte ihn Leandra selbst ins Jenseits befördert - niemand anderem war es zuzutrauen, einen Magier von der Stärke Karras' zu besiegen. Geschah ihm recht, diesem unsäglichen Schwachkopf.
»Du, wie heißt du?«
Der Magier, irgendwer ohne hohen Rang aus dem achten Stockwerk, sah verdattert zu seinen Kameraden. Dann blickte er Chast angstvoll an. »Trojan, Hoher Meister«, sagte er und schluckte.
»Gut. Du bist ab jetzt der Kommandant des Ordens von Yoor. Du sicherst Torgard, schickst eine weitere Drachenstaffel nach Palimbaan, um Victor, Rasnor und den Pakt zu finden, und lässt diese Quellen von Quantar durchkämmen. Diese beiden da unten müssen erwischt werden, wer immer das auch ist.«
Trojan war bleich geworden.
»Erweist du dich als fähig, wirst du alles bekommen, was du nur willst. Versagst du, werde ich dich persönlich zur Rechenschaft ziehen.«
Chast hatte seine Forderungen in sachlich-kühlem Ton vorgetragen und das machte seine Drohung nur umso furchtbarer. Trojan sah aus, als würden ihm gleich die Knie einknicken.
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