Höhlenwelt-Saga 02 - Leandras Schwur
Hellami, dass er eigentlich ein bisschen mehr mit den Schwingen hätte arbeiten müssen, um so rasch und gewandt an Höhe zu gewinnen.
»Er fliegt mit Magie und seinen Schwingen zugleich«, erklärte Leandra. »Es ist gewissermaßen ein Schweben, das er mittels Magie bewerkstelligt. Die eigentliche, schnelle Vorwärtsbewegung erfolgt durch Flügelschlag.« Sie grinste. »Glaube ich jedenfalls.«
Hellami starrte fasziniert in die Höhe, wo Ulfa zwischen den Ästen der Bäume verschwand und gleich darauf wieder auftauchte. Er schien kein Blatt berührt zu haben. Sie betraten nun auch den Wald und Ulfa war wiederum über ihnen. Hellami war so fasziniert von dem Tier, dass sie beinahe gegen einen Baum lief. Sie vergaß völlig, die Fragen zu stellen, die sie zuvor noch so neugierig gemacht hatten. Schließlich fielen sie ihr wieder ein.
»Du weißt ja, dass mich Victor vor ungefähr einem halben Jahr hierher zurückbrachte. Nun ja, etwas länger muss es jetzt her sein. Sieben oder siebeneinhalb Monate. Ich konnte mich nicht mehr bewegen, vom Hals an abwärts. Ich lag nur im Bett oder draußen im Garten auf einer Liege. Dann war dieser Heiler aus Savalgor da, und als Mam nach einem Gespräch mit ihm in Tränen ausbrach, da wusste ich, was mir blühte. Ich heulte ungefähr eine Woche lang, dann hatte ich mich wieder einigermaßen gefangen. Ich wusste, dass ich mir mit Magie ein wenig helfen konnte, solange mein Kopf noch funktionierte. Ich wollte einfach nicht aufgeben, verstehst du?«
Hellami zog sie mitfühlend an sich heran und hakte sich unter. Sie liefen weiter.
»Dann, nach etwa vier Wochen, schickte ich Victor weg. Ich sah, wie sehr er sich um mich sorgte und dass er überhaupt kein eigenes Leben mehr lebte. Er kümmerte sich rührend um mich, aber das war eigentlich genau das, was ich nicht wollte. Ich wollte lernen, mir selbst zu helfen. Ich ließ mir aus Munuels Haus alles an Büchern über Magie holen, was nur zu finden war. Ich verlangte Victor das Versprechen ab, dass er mich in frühestens einem Jahr wieder besuchen dürfte.«
»Und?«
Leandra lachte leise auf. »Er war sehr verliebt in mich, weißt du? Es dauerte eine glatte Woche, bis ich ihn endlich soweit hatte. Mit Tränen in den Augen zockelte er schließlich los. Aber ich glaube, ich habe ihm auch Mut gemacht. Er sah, dass ich nicht aufgeben wollte. Also ging er tatsächlich.«
Hellami seufzte leise.
»Danach ging es mir schlechter. Ich wurde ziemlich schwach, weil mein ganzer Körper nicht mehr bewegt wurde. Mit der Magie war ich noch nicht so weit, dass ich etwas dagegen hätte tun können. Ich wollte versuchen, meine Arme und Beine mit Hilfe von Magie zu bewegen, verstehst du? Das ist eigentlich keine große Sache, obwohl ich damit niemals wieder hätte laufen können. Laufen, das ist, wie ich herausfand, ein sehr verzwicktes Zusammenspiel zwischen Muskeln, Sehnen und dem Gleichgewicht - und das wäre nicht möglich gewesen. Doch einfache Sachen, wie mit der Hand die Seite eines Buches umzublättern, hätte ich sicher geschafft. Aber dann ging es mir immer schlechter. Ich war am Verzweifeln. Ich weinte oft, weil ich so hilflos war und auch weil ich sah, wie sehr es meine Familie mitnahm. Cathryn weinte, glaube ich, noch öfter als ich und Mutter zusammen. Zum Glück hatten wir dann dieses schöne Wetter.«
»Schöne Wetter?«
»Ja. Draußen in der Sonne zu sein, das gab mir Kraft. Ich bestand darauf, dass ich morgens auf die kleine Lichtung gefahren wurde, südlich unseres Hauses. Vater hatte mir eine Liege mit Rädern gebaut.«
Hellami nickte. »Und dort hast du dann Ulfa getroffen.«
»Ja, stimmt.« Leandra blickte hinauf, wo der kleine Baumdrache ruhig und unnatürlich langsam zwischen den Ästen der Bäume hindurchglitt. Es wurde langsam dunkel und man konnte ihn kaum noch sehen. »Es waren ein paar Tage vergangen«, fuhr Leandra fort, »und ich konnte mich in meiner Verzweiflung nur über die Zeit retten, indem ich jeden einzelnen warmen Sonnenstrahl in mich aufsog. Dann, eines Tages, sah ich ihn in den Baumwipfeln.«
Sie machte eine kleine Pause, und Hellami, die einen halben Kopf kleiner war, blickte neugierig zu ihr auf.
»Er saß einfach nur da, auf einem Ast hoch droben in einem Baum, und beobachtete mich. Es war wie ein Geschenk, weißt du? Ich hatte noch nie einen Baumdrachen gesehen. Er faszinierte mich über die Maßen. Es war, als hätte ich eine neue Aufgabe gewonnen, indem ich ihn beobachten konnte. Anfangs saß er
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