Höhlenwelt-Saga 02 - Leandras Schwur
schwach. »Na ja - vielleicht ist es ausgerechnet jetzt, dieses eine Mal.«
Leandra erwiderte nichts und setzte sich wieder in Bewegung. Hellami bemerkte, dass Leandra das kleine Licht unter der Decke folgte. Sie tat es ebenfalls.
Als Nächstes erreichten sie die Werkstatt und Schmiede. Dieser Höhlenraum war sehr geräumig, mindestens viermal so groß wie der erste und doppelt so hoch. Hellami atmete erstaunt auf und sah in die Höhe. Dort oben verjüngte sich die Decke zu einem breiten Spalt, der in der Dunkelheit verschwand. In der Mitte des Raumes war eine große ummauerte Feuerstelle errichtet, von der Decke hingen an beweglichen Holzbalken allerlei Ketten, Flaschenzüge und Hebevorrichtungen herunter. Daneben waren zwei Ambosse auf großen Holzblöcken aufgebaut. Der Raum war annähernd rund; überall an den Wänden waren breite, hölzerne Werkbänke montiert. Darüber hingen, an Haken, Gestellen und Brettern, eine Unzahl von Werkzeugen. Es war kalt.
»Huh!«, machte Hellami. »Hier gibt es alles, was sich ein Handwerker nur wünschen kann!«
Sie trat zu einem der Tische und streckte die Hand nach einer großen eisernen Zange aus. »Das sieht eigentlich eher nach der Schmiede einer großen Stadt aus!«, sagte sie. »Eine, in der jeden Tag von früh bis spät die Hämmer geschwungen werden. Wie viel stellt denn dieser Marthis her? Und an wen verkauft er all seine Dinge?«
»Das habe ich mich auch schon gefragt«, antwortete Leandra. Sie stand an der Feuer stelle und befühlte mit den Fingerspitzen ein paar der Kohlen. Alles war kalt, auch in der Mitte. »Vielleicht macht er gar nicht so viel und hat nur seinen Spaß daran, so eine schöne, große Werkstatt zu haben. Allerdings ... nun, er ist weithin bekannt. Ein Meister seines Faches, wie man hört.«
Leandras Licht schwebte nun weit oben unter dem Spalt, der in die Höhe führte, und beleuchtete von dort aus den Raum. Hellami trat zu ihr und sah hinauf.
»Wie machst du das?«, wollte sie wissen.
Leandra stieß ein kurzes Lachen aus. »Weiß ich auch nicht. Ist mir selbst ein Rätsel. Ich spreche einfach nur ein, zwei Intonationen aus und schon ist es da!«
Hellami knuffte sie in die Seite. »Quatsch. Ich weiß, dass es eine richtige Wissenschaft ist. Meinst du, ich kann das auch? Kannst du es mir beibringen? Wenigstens ... so ein Licht zu machen?«
Leandra musterte ihre Freundin. Sie wusste, dass sie Hellami alles geben würde - was immer sie von ihr verlangte. Früher einmal wäre sie arg mit dem Kodex der Magiergilde in Konflikt geraten, hätte sie jemandem wie Hellami auch nur den Wortlaut einer Intonation verraten. Aber heute - nun, heute gab es keine Gilde mehr und in dieser Lage war das schon fast ein Vorteil. Jetzt, da es möglicherweise auf den Mut und das Geschick Einzelner ankam, um das Schicksal des Landes wieder aus diesem dunklen Abgrund zu reißen, wäre die Verbindlichkeit des Kodex nur ein Hindernis gewesen, komplizierte Aufgaben zu lösen.
Ja, dachte sie, es wäre durchaus möglich, einem Mädchen wie Hellami eine so einfache Sache wie das Erzeugen eines magischen Lichtes beizubringen. Sie hatte ja damals auch Victor beigebracht, das Trivocum, die Grenzlinie zwischen den Sphären des Diesseits und des Stygiums, erblicken zu können.
Nun, es kam auf das Talent des Schülers an. Intelligenz und ein möglichst großes Vorstellungsvermögen waren unabdingbar. Und, wie sich bei Victor herausgestellt hatte, auch der Umstand, dass der Schüler nicht mit einer fest verankerten und zugemauerten Vorstellungswelt verhaftet war. Letzteres wäre sehr hinderlich auf dem Weg gewesen, das Trivocum sehen zu können - diesen blass rötlichen Schleier, der die Welt durchzog und der nur von Menschen wahrgenommen werden konnte, die speziell dafür ausgebildet waren -die Magier der Höhlenwelt.
Victor hatte sich damals sehr schwer getan, den Schritt von seiner normalen Vorstellungswelt in die übersinnliche, unbekannte Welt der Magie zu vollführen. Sein Verstand hatte einfach nicht einsehen wollen, dass es da noch etwas gab, etwas Weiterführendes, Mystisches und dennoch Wirkliches - so sehr sein Wille es auch wahrhaben wollte.
»Jetzt nicht«, sagte Leandra. »Ein andermal, wenn die Gelegenheit günstiger ist.« Sie sah sich um. »Ich möchte lieber wieder von hier verschwinden. So schnell es geht. Mir ist die Sache hier nicht ganz geheuer.«
»Willst du die Jambala etwa hier lassen?«, fragte Hellami erstaunt.
Leandra schüttelte den Kopf.
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