Höhlenwelt-Saga 02 - Leandras Schwur
Bruderschaftsmitglied noch Zugeständnisse machen musste, wenn man das Problem der Drakken mit einbezog.
*
Es war die Dunkelheit des Todes, die sie umgab.
Lichtlosigkeit war nicht das richtige Wort. Es war das Nichts, die vollkommene Leere, ohne Ziel, ohne Zweck, ohne Hoffnung. So hatte sie es sich nicht vorgestellt. Kein heller Fleck, kein spürbarer Ort, an dem sie sich aufhielt, keine Gegenwart von irgendwem. Nur Zeit. Dumpfe, dahintropfende Zeit.
Sie suchte eine Weile verzweifelt nach irgendetwas, an dem sie sich orientieren konnte. Aber da war nichts.
Nur eine zähe Ewigkeit und das Gefühl einer existierenden Seele - die aber keine Bedeutung hatte. Aber dann schließlich stellte sich doch ein kleines Gefühl ein. Es kam heran wie aus weiter Ferne, kaum zu spüren ... doch leider nicht von der Art, die Trost spenden konnte. Es war der Nachhall eines dumpfen Schmerzes - ein Schmerz, der mit Tod zusammenhing und der sie (das wusste sie plötzlich) wie eine nie verheilende Wunde auf ewig begleiten würde.
Dann klang der Schmerz wieder ab, zurück blieb nur die Ahnung davon, und die Dunkelheit des Todes wurde wieder vollkommen.
Stille.
Eine Ewigkeit.
Warten.
Warten auf was? Dass der Schmerz wiederkam? Eine Aussicht von so kosmischer Traurigkeit, dass sie sich fragte, welchen Sinn das alles haben sollte. Wäre da wenigstens eine Erinnerung an irgendetwas, an einen Ort, ein Gefühl, ein Wesen ... sie wusste nicht einmal, wer oder was sie war. Sie wusste nur, dass sie tot war.
Wieder Stille.
Wieder eine Ewigkeit.
Moment ...!
Es gab doch etwas. Sie hatte das unbestimmbare Gefühl, ein Geschlecht zu besitzen. Sie fühlte sich nicht als ein ›es‹. Nein, sie war ... weiblich. Weiblich gewesen.
Ein Aufatmen.
Ein Aufatmen?
Wieder etwas. Was war ›Aufatmen‹?
Sie versuchte sich zu erinnern. Ein weibliches Etwas, ein Aufatmen. Woher kam das?
Nachdenken. Erinnern.
Schon wieder etwas. Nur Gedankenblitze, keine echten Worte. Worte?
Sie hielt still. Versuchte, die Gedankenblitze nicht wieder in der Ferne verschwinden zu lassen. Langsam gelangte sie zu der Gewissheit, dass es dennoch etwas gab, etwas gegeben haben musste, an das eine Erinnerung möglich war. Weiblich, dachte sie. Aufatmen, Nachdenken, Erinnern, Worte.
Und Zusammenhänge.
Der Moment kam, da sie spürte, dass sich aus der unendlichen, dunklen Ferne etwas zu formen begann. Eine Erinnerung. Ja - der Schmerz! Das war das Erste gewesen. Schmerz, weiblich, erinnern ...
Lange Zeit kam nichts hinzu. Außer vielleicht dem tröstlichen Gefühl, dass etwas geschah. Geduld, mahnte sie sich, nur Geduld.
Das tröstliche Gefühl verlor sich nicht - nicht, nachdem sie entdeckt hatte, dass all die Leere letztlich doch nicht so leer zu sein schien. Ein tröstliches Gefühl.
Mit ihm kam Wärme.
Sie hatte nicht gefroren, nein, es war eine Wärme des Geistes. Irgendetwas näherte sich, das Wärme gab. Sie versuchte sich umzublicken, gab es aber gleich wieder auf. Sie wusste gar nicht, was das war: umblicken. Sie fühlte eine schwache Bedeutung dessen, konnte dem Gefühl aber keine Handlung zuordnen.
So ging es weiter. Lange Zeit, sehr lange Zeit.
Neue Eindrücke kamen spärlich, so spärlich, dass sie sich fragte, ob ihr verzweifelter Geist sich einfach nur bewegte, sich etwas zurechtdachte, das gar keinen Sinn hatte und kein Ziel. Außer vielleicht dem, diesen winzigen Faden des Bewusstseins der eigenen Existenz nicht loszulassen.
17 ♦ Bruderschaft
Es war eine von Chasts besonderen Fähigkeiten, Schwierigkeiten schon spüren zu können, wenn sie noch im Anmarsch waren. Er wusste selbst nicht zu sagen, ob ihm die Magie dabei half oder ob es einfach eine Gabe war. Eine Gabe, die ebenso nützlich wie auch lästig war. Manchmal wünschte er sich, die wenigen Minuten, die andere Menschen in Ahnungslosigkeit verbrachten, ebenso für sich zu haben. Er aber merkte es meist schon im Vorhinein, wenn sich etwas anbahnte. Dadurch verlängerte sich das Gesamtmaß der durch schlechte Botschaften verdorbenen Zeit.
Auch diesmal war es so. Er saß an seinem Schreibtisch und prüfte die Aufzeichnungen, die Rasnor über seine Fortschritte beim Aufbau des Ordens von Yoor angefertigt hatte. Es war erstaunlicherweise recht viel, was Rasnor da vorzulegen hatte, und das hatte Chast eigentlich gar nicht erwartet. Dass Rasnor gerissen war, hatte er geahnt, aber was den Orden von Yoor anging, schien er beachtlich gut voranzukommen. Manche Leute, so sagte sich
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