Höhlenwelt-Saga 02 - Leandras Schwur
Chast, brauchten womöglich nur die richtige Aufgabe, dann vermochten sie über sich selbst hinauszuwachsen. Und Schnüffelei, Arglist und Boshaftigkeit schienen genau das zu sein, was Rasnor am besten konnte. Irgendwie behagte ihm das nicht, aber er mahnte sich, dass es nicht Behaglichkeit war, was er wollte. Er brauchte ein Instrument der Härte und der Brutalität für seine Zwecke.
Der Orden besaß nun schon etwa vierzig Mitglieder, sieben davon im Rang eines Quästors. Rasnor hatte sechs von ihnen mit je einer kleinen Gefolgschaft von Soldaten und einem Magier nach Wasserstein, Usmar, Soligor und noch ein paar anderen größeren Städten entsandt. Es hatte bereits eine Aburteilung gegeben -die auf magischem Wege nach Torgard übermittelt worden war. Ein Garnisonskommandant in einem Nest im Westen, dessen Name Chast schon wieder vergessen hatte, war mit seiner Macht etwas zu großzügig umgegangen. Er hatte die Bauern ausgeplündert, sich mehrere Frauen gefügig gemacht und sich mitten in einem mächtigen Saufgelage befunden, als der Quästor in seinem Lager eingetroffen war. Man hatte ihn und seine Offiziere kurzerhand festgenommen und die meisten davon hingerichtet. Zudem hatte sich der Vorteil ergeben, dass die Bauern in dieser Gegend nun gut auf die Duuma - unter deren Name der Orden von Yoor dort auftrat - zu sprechen waren.
Als Chast gerade mit dem Lesen dieses Berichtes fertig war, hob er den Kopf. Ein dunkles Gefühl hatte ihn plötzlich beschlichen, ein fader Geschmack hatte sich auf seiner Zunge eingestellt. Er kniff misstrauisch die Augen zusammen und da hörte er es schon: Draußen auf dem Gang hatten sich Stimmen erhoben. Offenbar kamen Leute. Und sie hatten schlechte Nachrichten. Das konnte er förmlich riechen.
Er atmete tief und angespannt ein, ließ die Blätter sinken und lehnte sich in seinem hohen Stuhl zurück. Er maß die Tür zu seinem Schreibzimmer mit missgestimmten Blicken. Längst wusste er, dass es gleich klopfen würde.
So geschah es auch.
Es war ein hässliches Klopfen - wenn es das gab -, ein Klopfen, das zögerlich und dringend zugleich klang, das gleichsam fürchtete, mit einem Herein beantwortet zu werden, wie es auch aus Gründen der Wichtigkeit hoffte, gehört zu werden.
Chast nickte. »Herein!«, rief er dann.
Die Tür öffnete sich und Chast stellte erleichtert fest, dass Quendras eintrat. Immerhin einer, mit dem man etwas anfangen konnte, auch wenn die Nachricht vermutlich unangenehm sein würde. Dann sah er weitere Männer hinter Quendras. Das verschlechterte seine Laune wieder. Es schien sich um zwei einfache Soldaten zu handeln; sie sahen ziemlich mitgenommen aus. Hinter ihnen standen Rasnor und einer seiner engeren Mitarbeiter. Rasnor hatte eine üble Miene aufgesetzt - so als hätte er neuerdings herausgefunden, dass er damit die Drohung durch seinen Orden von Yoor gegen alles und jeden in der Bruderschaft noch erheblich verstärken konnte. Vermutlich stimmte das auch. Chast fragte sich mehr und mehr, ob er diesen kleinen Mistkerl, trotz seiner augenscheinlichen Erfolge, nicht lieber doch irgendwann zur Hölle schicken sollte. Er ging ihm mittlerweile gehörig auf die Nerven.
Die Männer traten in den Raum. Die beiden Soldaten blickten angstvoll zu Boden. Chast fragte sich, warum man die Burschen hierher gebracht hatte. Es bedeutete, dass man sie entweder töten musste oder nie mehr aus Torgard herauslassen durfte. Leute wie sie durften nichts von der Existenz des geheimen Stützpunktes der Bruderschaft wissen.
Dann aber erkannte er sie plötzlich wieder, und ein Schreck durchzuckte ihn. Es waren Usbalors Leute -Männer, die hier in Torgard zu dessen unmittelbarer Mannschaft gezählt hatten. Hatten, echote es durch Chasts Hirn. Damit war ihm schon alles klar - ihm, der schlechte Botschaften erspüren und oft sogar ihren Inhalt vorausahnen konnte. Leandra - hallte es in seinem Kopf, und er fühlte, wie ein hässlicher, eiskalter Zorn in seiner Brust aufstieg. Er erhob sich und ging um seinen Tisch herum.
»Was ist geschehen?«, knirschte er, als er vor den Männern stand.
Die beiden Soldaten wichen angstvoll zurück, Rasnor drängte sich jedoch in den Vordergrund. »Sie sagen, Usbalor wäre tot!«, stieß er hervor.
Chast warf ihm einen giftigen Blick zu, der ihn verstummen ließ - unwillig, wie es schien. Quendras hielt sich zurück.
Einer der Soldaten blickte auf. Er war dreckverschmiert, sein linker Arm war schlimm verbrannt und in seinen Augen bebte
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