Höhlenwelt-Saga 03 - Der dunkle Pakt
Stellen rauschten Wasserfälle in die Tiefe, manche davon so tief ins Nichts, dass sich das Wasser in Nebel auflöste, ehe es irgendwo ankam. Grün gab es hier nur wenig, ganz unten in den Tälern vielleicht mehr; ansonsten herrschten Grau- und Brauntöne vor, und auf manchen Gipfeln, ganz hoch droben, ruhte eine weiße Kappe aus Schnee.
Leandra deutete voraus auf ein Sonnenfenster, durch das hellgoldenes Licht schräg in die Welt hereinfiel und einige mächtige Bergflanken beleuchtete. Es wird bald Abend, sagte sie zu Tirao. Willst du nicht bald eine Pause machen?
Ich fliege noch, bis die Dämmerung einsetzt, erwiderte der Drache. Aber das ist nicht mehr lange.
Leandra nickte. Die Sorge über einen möglichen Angriff der Drakken bedrückte sie. Victor erriet ihre Gedanken. »Wenn uns die Drakken angreifen, bevor wir den Kryptus entschlüsselt haben, ändert das nichts daran, dass wir sie verjagen werden, wenn wir so weit sind. Auch wenn sie bis dahin schon sonst was angerichtet haben!«
»Ja. Aber es wäre gut, wenn es gar nicht so weit käme. Ich wette, diese Bestien haben wenig Skrupel, auf einen Schlag eine Stadt wie ganz Savalgor auszulöschen.«
Victor nickte ernst. Schweigend flogen sie der Dämmerung entgegen. Tirao ging nun zwar immer höher, aber der Schutz der Täler, die sie verließen, wurde zunehmend durch den Schutz der Dunkelheit ersetzt.
Dann schließlich, als sie nur noch die Konturen der Berge unter sich erkennen konnten und es schon deutlich kühler geworden war, kündigte Tirao an, dass er landen wollte. Er fand hoch oben an einem Berghang ein kleines Plateau, auf dem er im allerletzten Licht des Tages niederging.
Die Nacht blieb ruhig und vergleichsweise warm.
Auf dem Plateau herrschte Windstille und Tirao war bei ihnen geblieben, um im Notfall rasch mit ihnen starten zu können. Der Primas meinte, es wäre gut, wenn jemand Wache hielte; er wollte die erste Schicht übernehmen. Roya verzog sich irgendwo hin ans nördliche Ende des Plateaus, während sich Leandra und Victor nach Süden trollten. Quendras blieb beim Primas und die beiden unterhielten sich leise bis tief in die Nacht. Ein Feuer wagten sie nicht zu entzünden.
Leandra zog Victor ziemlich weit mit sich, an den südlichen Rand des Plateaus, wo sie hinter ein paar Felsen einen ungestörten Platz fanden. Aufgrund seiner bisherigen Erfahrung mit Frauen hatte Victor geglaubt, dass es die Männer waren, die den ersten Schritt machten, wenn es um die Befriedigung ihrer Lust ging, aber wieder einmal war es Leandra, die ihn haben wollte. Er empfand es als ungewöhnlich, dass sie in dieser Hinsicht so fordernd war, so etwas hatte er von ihr eigentlich nicht erwartet. Leandra war ihm bisher wie eine Frau erschienen, die ihre körperlichen Reize ganz bewusst und wohldosiert einsetzte. Aber diese Gedanken schwanden schon bald aus seinem Kopf, als sie sich an ihm zu schaffen machte.
Sie schliefen miteinander, bemühten sich, dabei so leise wie möglich zu sein, denn hier gab es keine schützenden Wände, die hätten verbergen können, was sie taten. Nach einer Weile aber war es Victor egal. Zuletzt verhielt sich Leandra wiederum seltsam. Sie klammerte sich an ihn, als hätte sie Angst, ihn loszulassen, und als seine Wange die ihre berührte, spürte er Tränen. Er war unentschlossen, sie zu fragen, was mit ihr war. Aber er entschied sich dagegen. Leandra hatte ihm schon in den vergangenen Tagen nicht antworten wollen. Er streichelte sie sanft und erwiderte ihre Umarmung, und genau das schien es zu sein, was sie brauchte. Schließlich schliefen sie beide ein.
Irgendwann tief in der Nacht weckte ihn Quendras und bat ihn müde, die dritte und letzte Wache zu übernehmen. Victor gähnte, stand leise auf und kleidete sich an. Sie waren übereingekommen, dass Wacheschieben Männerarbeit war und dass sie Roya und Leandra schlafen lassen wollten. Und Tirao natürlich auch. Der würde morgen wieder ein hartes Stück Arbeit zu leisten haben.
Als Victor allein war, schlenderte er zum Rand des Plateaus und starrte auf die dunkeln Konturen der Bergwelt. Zuerst bedauerte er es, kein wohliges Lagerfeuer in der Nähe zu haben, dann aber war er froh, denn es hätte das überblendet, was er sah.
Die riesigen Felswände, Gipfel und Stützpfeiler, die ihn umgaben und deren Umrisse er recht gut erkennen konnte, waren in ihrem Schweigen vollkommen. Gewaltig und unverrückbar standen sie hier seit unvordenklichen Zeiten. Unwillkürlich überkamen ihn
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