Höhlenwelt-Saga - 08 - Die Magie der Höhlenwelt
lange her. Beinahe
zweihundert Jahre. Alles wurde vernichtet. Nur ein paar hundert
von uns haben überlebt.« Leandra zog die Stirn kraus. Zweihundert Jahre? Die Zeitspanne wollte nicht zu dem passen, was Sherresh gesagt hatte... dann erinnerte sie sich daran, dass ein Imoka-Jahr über zwölftausend Tage haben sollte und jeder Tag neunzehn Stunden. Sie rechnete im Kopf nach und kam auf eine Zahl,
die viel besser zu ihrer Ahnung passte – die zweihundert ImokaJahre ergaben in etwa fünftausend ihrer Jahre.
»Und... was war der Anlass für diesen Krieg?« Wieder das Seufzen. »Das Aeoshe«, sagte Sergan, und Michal wie auch Jakob
ließen ebenfalls ein schweres Seufzen hören. »Das Aeoshe war
der Beginn des ganzen Unheils.«
»Und was ist das? Das Aeoshe?«
»Eine Pflanze. Sie wächst nur auf Majinu, und aus ihr kann man
ein Enzym gewinnen, welches die Zellalterung aufhält.
Das ewige Leben.«
Ein prickelnder Schauer breitete sich über Leandras Rücken.
Das Ewige Leben! Seit Sardin und seiner üblen wie auch tragischen Geschichte tauchte dieser Begriff immer wieder auf. Chast
war diesem Wahn verfallen, Rasnor ebenfalls, die Drakken hatten
damit zu tun und natürlich auch der Pusmoh – und die Muuni.
Sogar sie selbst, Leandra, hatte Roscoe gegenüber einmal den
Wunsch geäußert, ewig leben zu können, um sich all die Wunder
des Kosmos ansehen zu können. Wirklich ernst hatte sie das natürlich nicht gemeint. Inzwischen nämlich war der Beigeschmack
auf der Zunge, den dieses Ewige Leben mit sich trug, allzu fade
geworden – und sicher auch blutig.
»Der... die Pusmoh wollten euch kein Aeoshe mehr geben?«,
fragte sie vorsichtig.
Sergan schüttelte den Kopf. »Die Geschichte ist kompliziert und
lang. Willst du sie hören?«
»O ja, natürlich. Deswegen bin ich hier.«
*
Man hatte Leandra eine Decke gebracht, damit sie sich in Muuni-Art am Boden ausstrecken konnte, aber sie zog es vor, im
Schneidersitz sitzen zu bleiben. Sie war angespannt und neugierig. Ein Getränk war ihr auch gereicht worden, ein kühler, bittersüßer Saft aus einer Pflanze, der in der Hitze durchaus erfrischend schmeckte.
Sie vertraute darauf, dass er ihr nicht unbekömmlich war,
nachdem die Muuni ihn tranken, die ja angeblich auch Menschen
waren.
»Es begann damit, dass wir Majinu entdeckten, vor langer, langer Zeit«, begann Sergan. »Es war ein großes Schiff mit fast einhunderttausend Kolonisten. Damals waren wir noch Menschen,
sahen so aus wie du.« Wieder einmal seufzte er. »So schön.«
Ein leiser Schauer durchströmte Leandra, als sie so etwas wie
Sehnsucht in den Blicken Sergans erkannte, der sie betrachtete.
Auch Jakob und Michael sahen zu ihr.
»Majinu ist eine paradiesische Welt«, fuhr Sergan fort, als er
bemerkte, dass Leandra ihre Blicke peinlich wurden. »Ein Ring
von Inseln entlang des Äquators, wie ein Diadem aus Edelsteinen,
in einem weltumspannenden, funkelnden blauen Ozean.«
»Oh, wirklich?«, flüsterte sie fasziniert.
»Keiner von uns hier hat Majinu je gesehen, aber wir haben
Aufzeichnungen. Und ein paar Bilder.« »Ihr seid alle auf Imoka
geboren?«, fragte Leandra.
»Ja, wir sind alle hier geboren und hatten nie eine Möglichkeit,
von hier fort zu kommen.«
Wieder nickte Leandra. Sie hatte schon eine Vorstellung, was
Sergan meinte. Die ersten Mosaiksteine fielen an ihren Platz.
»Und wie ging es weiter? Nach der Entdeckung von Majinu – als
ihr noch Menschen wart?«
»Wir entdeckten dort das Aeoshe. Eine kleine gelbe Blütenpflanze, völlig unscheinbar. Als auf Majinu bekannt wurde, dass das
Aeoshe-Enzym die Zellalterung aufhalten kann, war das wie ein
Geschenk Gottes. Eine traumhaft schöne Welt und das Ewige Leben – was konnte es für ein Volk von Kolonisten Schöneres geben?«
Leandra zuckte in höflicher Zustimmung mit den Schultern.
»Danach brachen goldene Zeiten für uns an. Ganz Majinu wurde
besiedelt, alles begann zu blühen, da die Welt die Menschen
reichlich mit Nahrung aus dem Meer versorgte.
Riesige schwimmende Städte entstanden, überall erblühten Industrie, Geisteswissenschaften und Forschung. Enorme Erfindungen wurden gemacht, und die Menschen erreichten eine neue
Blütezeit, die sie in ihrer Geschichte nie zuvor erlebt hatten.«
Sergan legte eine kurze, bedeutungsvolle Pause ein. »Dann aber
machten die Menschen eine Entdeckung. Eine, die weniger erfreu
lich war.«
Leandra nickte verstehend. Etwas dieser Art, ein Rückschlag in
all der Euphorie, war zu erwarten
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