Höhlenwelt-Saga - 08 - Die Magie der Höhlenwelt
gewesen.
»Es waren etwa drei Jahre vergangen; nun, ich meine, drei unserer Jahre, hier auf Imoka. Soweit ich weiß, sind das etwa sechzig Jahre unserer alten menschlichen Zeitrechnung. Der Zeitrechnung der Erde, der verschollenen Heimatwelt der Menschen.«
Wieder nickte Leandra. Sie kannte diesen Hintergrund und wollte Sergan nicht mit Fragen über die Erde und die Urgeschichte
der Menschen unterbrechen.
»Die Menschen von Majinu hatten sich sehr entwickelt – doch
nach dieser Zeit fiel den Chronisten auf, dass die wirklichen Errungenschaften allesamt auf der geistigen Ebene stattgefunden
hatten. Es waren große Erfindungen gemacht worden, man hatte
das Leben vereinfacht, enorme technische Geräte entwickelt und
die Geistesdisziplinen vorangetrieben. Was sich aber nicht entwickelt hatte, das waren die physischen Dinge. Schon immer hatten
die Menschen Höchstleistungen in körperlichen Disziplinen zu brechen versucht. Man trieb Sport, setzte sich Belastungen aus oder
interessierte sich für Gesundheit, Schönheit oder Sexualität. Doch
die Wissenschaftler stellten fest, dass diese Dinge bei uns stagnierten.«
»Wirklich? War das wegen dem Aeoshe?«
Sergan nickte. »Ja – das war offenbar der Grund. Niemand
übertraf mehr die alten Höchstleistungen im Sport, das Interesse
an körperlichen Arbeiten oder Bewegung verebbte, die schönsten
Männer und Frauen sah man auf Bildern, die Jahrzehnte alt waren. Die Geburtenrate war gesunken.
Unterdessen aber ging die geistige Entwicklung weiter. Man bereiste wieder das All, nachdem man technische Geräte industriell
fertigte. Die nähere Sternumgebung wurde erforscht, bald entdeckte man diesen Sternhaufen hier, Rhad-Taurus. Er lag ganz in
der Nähe, und man fand in einer Ansammlung von zwei Dutzend
Sonnen sogar fünf Welten, die sich zur Besiedelung eigneten! Und
an Rohstoffen gab es im umliegenden All alles, was man sich nur
wünschen konnte. Es war wirklich paradiesisch. Imoka wurde zur
Hauptwelt der Rhad-Taurus-Gruppe und erlebte eine Blütezeit, in
der es teilweise mächtiger und einflussreicher war als Majinu.«
Leandra nickte. »Aber diese Sache mit den abnehmenden körperlichen Leistungen? Was wurde daraus?«
Sergan breitete die verkümmerten Ärmchen aus.
»Sieh uns an.«
Ein heißer Schauer strömte über Leandras Rücken – obwohl sie
es eigentlich schon geahnt hatte.
»Wir hatten das Ewige Leben, aber es war ein dummer Gedanke
zu glauben, dass wir keinen Preis dafür würden zahlen müssen.
Unsere Körper passten sich den Anforderungen an die neue Lebensspanne an. Unsere Haut wurde ledrig, unsere Organe zu zä
hen, flach und unnachgiebig arbeitenden Maschinen, unsere sexuelle Lust verschwand fast völlig, da wir keinen Nachwuchs mehr
benötigten. Unsere geistigen Fähigkeiten wuchsen, während unsere Körper verkümmerten. Früher einmal sah ich aus wie jemand in deinem Alter, Leandra. Ich war ein gut aussehender junger Mann, vielleicht hätte ich dir sogar gefallen.«
Leandra stieß ein Ächzen aus. »Was?«, keuchte sie. »Du
meinst... du selbst...«, ihre Blicke huschten zwischen den drei
Muuni hin und her,»... ihr seid selbst fünftausend Jahre alt? Jeder
von euch? Jeder Muuni von Imoka? Und... eure Körper haben sich
während dieser Zeit in diese...
Form verwandelt?«
Natürlich kam das Seufzen, und Leandra verstand nun, warum
dieser Laut zu einer Eigenart dieser Wesen geworden war.
»So ist es«, nickte Sergan. »Die Veränderung ging natürlich äußerst langsam vonstatten, über Jahrhunderte und Jahrtausende
hinweg. Anfangs war nichts zu bemerken, nur dieses langsame
Nachlassen der körperlichen Leistungen. Ich glaube, jeder von
ans sah selbst nach tausend Jahren noch einigermaßen normal
aus – wie ein Mensch, meine ich. Nun aber sind, wie du sagst,
fünftausend Jahre vergangen.«
Leandra schluckte schwer, ihr Mund war vollkommen trocken.
Sie nahm einen Schluck aus ihrem Becher. Was Sergan da erzählte, war mehr als bedrückend. Der Preis, den die Muuni für ihr
Ewiges Leben zahlen mussten, war sehr hoch, nein, eindeutig zu
hoch. Aber sie ahnte schon, warum sie ihn dennoch zahlten, warum wahrscheinlich jeder ihn zahlen würde. Es war das Leben.
Jede Kreatur hing so verzweifelt und verbissen an ihrer Existenz,
dass sie alles, offenbar wirklich alles in Kauf nahm, um weiterleben zu können. Sergan seufzte wieder. »Wie gesagt, damals,
ganz am Anfang, war alles noch nicht so schlimm. Es waren erst
sechzig oder siebzig Jahre vergangen, wir sahen noch
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