Höhlenwelt-Saga 1 - Die Bruderschaft von Yoor
zu ihm herab.
Es waren genug, dass Leandra Hilfe brauchen konnte, falls sie angriffen - Jambala hin oder her. Er schwang sich zu Munuel hinauf, machte einen großen Satz und stand zwei Sekunden später bei ihr, das Schwert bereits gezogen.
Leandra warf ihm einen neugierigen Blick zu, wandte sich dann aber wieder den Tieren zu. Victor trug eine neue Fackel und hielt sie in die Höhe, um besser sehen zu können. Das wirkte Wunder. Ein halbes Dutzend dieser Wesen, die sich in der Nähe aufhielten, huschte davon, ein weiteres halbes Dutzend, das etwas entfernter lauerte, tat das Gleiche. Sie hatten etwas Rattenartiges an sich, mehr war nicht zu erkennen. Sekunden später waren sie in der Dunkelheit verschwunden.
Leandra richtete sich aus ihrer verteidigungsbereiten Haltung wieder auf und schenkte ihm einen Blick, der so ziemlich gar nichts ausdrückte, außer vielleicht einem Hauch von Bedauern. Sie schob die Jambala in die Scheide, machte einen Schritt auf ihn zu und gab ihm einen leichten Knuff in die Seite. Dann nahm sie ihm die Fackel aus der Hand und wandte sich nach links.
Victor schnaufte leise und sah ihr hinterher. Diese kleine Berührung, die sie ihm gerade geschenkt hatte, hätte er nicht für viel Geld wieder hergeben wollen. Er stieß einen leisen Seufzer aus.
»Was ist los mit dir?«, flüsterte Munuel ihm aus nächster Nähe zu und drückte ihm eine neue Fackel in die noch immer erhobene Hand. »Verliebt?«
Er schenkte Munuel einen säuerlichen Blick, sagte aber nichts. Der Magier setzte einen höchst belustigten Gesichtsausdruck auf und stieß ein leises Kichern hervor. Er hob den Zeigefinger. »Gib auf dich Acht, Junge.
Dieses Mädchen kann einen um den Verstand bringen. Ich weiß, wovon ich rede!«
Damit marschierte er weiter, folgte Leandra in die Dunkelheit. Ja, Munuel hatte wohl Recht. Aber immerhin - es wäre bestimmt die schönste Art, den Verstand zu verlieren.
Es dauerte nur noch kurze Zeit, dann waren sie am Ziel. Das Auffinden der Canimbra ging wesentlich undramatischer vonstatten, als er es sich vorgestellt hatte. Das Artefakt selbst aber gab dafür umso mehr Rätsel auf.
Zuerst erkannten sie es gar nicht. Nicht er und auch kein anderer der Gruppe.
Sie betraten eine große Halle, die eine Menge hoher Fenster besaß, die alle nach Osten wiesen. Man sah zuerst nur den Himmel, und Neugier packte jeden Einzelnen von ihnen. Schnell durchmaßen sie die Halle, um auf der anderen Seite einen Blick durch die Fenster zu werfen.
Als Victor dann in die Tiefe sah, dachte er, dass diese Fenster wohl einzigartig auf der ganzen Welt waren. Wo sonst konnte man schon über drei Meilen tief auf einen gewaltigen See hinabblicken, an dessen einem Ende eine nicht mehr vorstellbare Masse von Wasser herabdonnerte und eine meilenweite Aura von Wasserdunst aufwirbelte, in dem sich das einfallende Licht der verschiedenen Sonnenfenster zu vielen kleinen und großen Regenbögen brach, die in all ihren Farben heraufschillerten. Ein Ende des Sees war nicht zu erkennen, nur vereinzelte Felspfeiler von gewaltigen Ausmaßen schälten sich aus der milchigen Ferne. Für Minuten stand er da und bewunderte kopfschüttelnd das grandiose Schauspiel. Dann hörte er durch das entfernte Donnern der Wassermassen, das stetig heraufdrang, Leandras Stimme.
Sie hatte die Jambala gezogen und hielt sie vor sich in die Höhe, in der anderen Hand den Yhalmudt haltend.
»Sie muss hier irgendwo sein«, sagte sie leise.
Victor wandte sich um und betrachtete die Halle. Sie war so groß wie ein Thronsaal; hoch, weit und mit einem komplizierten System von Strebebögen unter der Decke. Es war hell, und man konnte so gut wie jede Einzelheit erkennen. Mobiliar gab es hier längst nicht mehr, aber an den fein bearbeiteten Steinen, aus denen die Mauern gefügt waren, ließ sich leicht erkennen, dass hier einst die höheren Schichten der Bevölkerung verkehrt hatten. Zu welchem Zweck Bor Akramoria einst errichtet worden war, konnte niemand von ihnen sagen; allein die exponierte Lage der Tempelstadt ließ darauf schließen, dass es ein ganz besonderer Ort gewesen sein musste.
Victor trat zu Leandra, dankbar dafür, einen Grund zu haben, sich ihr ein wenig nähern zu können. Es war warm, und sie trug ihre Kleidung offen; unter dem metalldurchwirkten Lederwams schimmerte ihr Kettenhemd hervor.
Er starrte sehnsüchtig auf die weiche Kurve ihrer Brüste und den flachen Bauch. Er atmete heftig, woraufhin sie ihn prüfend anblickte.
»Sie ist
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