Höhlenwelt-Saga 1 - Die Bruderschaft von Yoor
sie, versuchte sie zu schützen und zu wärmen. Sie war besinnungslos, atmete aber noch flach.
Ihre Haut, die in den gelegentlichen Blitzen aufleuchtete, war bleich und fahl, blau angelaufene Stellen deuteten auf Unterkühlung hin. Er weinte vor Angst, dass sie ihm unter den Händen sterben könnte, und schrie verzweifelt nach Munuel. Allein der Magier würde sie jetzt noch retten können.
Er zog seine nasse Jacke aus und breitete sie über sie, schrie wieder nach Munuel und dachte verzweifelt nach, was er tun könnte. Der Magier würde noch Minuten brauchen, bis er hier wäre; er war alt und konnte bei weitem nicht so schnell laufen wie er. Möglicherweise fand er sie gar nicht schnell genug.
»Hol den Magier, Drache!«, schrie Victor zu Meakeiok auf in der Hoffnung, das Tier könnte ihn verstehen.
Doch Meakeiok reagierte sofort. Mit einer einzigen Bewegung schnellte er in die Luft und rauschte mit gewaltigen Flügelschlägen davon.
Doch die Hilfe kam noch schneller, als Victor erwartet hatte. Gleich darauf war noch mehr Flügelrauschen zu vernehmen. Victor blickte durch den nachlassenden Regen zum Himmel auf und erkannte ein halbes Dutzend Drachen über sich. Von allen Seiten kamen noch mehr hinzu, und gleich darauf landete Leandras Drache Tirao in unmittelbarer Nähe, auf seinem Rücken Munuel und Tharlas.
Die beiden stürzten herbei, und während Munuel sich zu Leandra hinkniete, konzentrierte sich Tharlas bereits.
Keine Sekunde später bemerkte Victor eine starke Aura der Wärme, die Leandra einzuhüllen begann. Er erkannte, dass er nun nichts mehr tun konnte - mächtige Magie war am Zuge, und Hoffnung keimte in ihm auf.
Als er auf sie herabblickte, wie sie nackt und schutzlos in den Regenbächen lag - die Haare durchweicht und schmutzig, die Haut bleich -, da empfand er sie wohl zum hundertsten Male als unbeschreiblich schön. Er war verwundert über diese Regung, denn in diesem Augenblick sah sie wahrlich mehr tot als lebendig aus. Er hätte seinen rechten Arm dafür gegeben, sie jetzt halten und wärmen zu dürfen. Aber es war klar, dass die magischen Kräfte von Tharlas und Munuel jetzt viel wichtiger waren.
Nachdem die Magier sagten, dass sie durchkommen würde, war er losgerannt und hatte schließlich an einem flachen Gebäude ein dunkles Quadrat entdeckt - ein Zugang zu einem dahinterliegenden Raum. Dort hatten sie Unterschlupf gefunden und ihre Ausrüstung und Decken mit magischer Hilfe getrocknet. Er hatte sich persönlich davon überzeugt, dass Leandra warm und trocken lag und alles hatte, um schnell wieder genesen zu können. Das war vor etwa sieben Stunden gewesen. Nun herrschte tiefe Nacht über den Tempeln von Bor Akramoria.
Seufzend wandte er sich um und blickte zu dem länglichen Sonnenfenster weit im Westen auf. Der Mond musste seitlich davon stehen, sein gelblicher Schein sickerte wie ein Trost zu ihm herab. Ihm war gar nicht nach Schlafen zumute. Leandra ging ihm nicht aus dem Kopf, und die Sorge um ihre Gesundheit.
Dann hörte er plötzlich ein Räuspern hinter sich.
»Leandra!«, stieß er hervor, als er erkannte, wer sich da hinter ihm angeschlichen hatte. Er fuhr in die Höhe.
»Um Himmels willen! Du musst dich hinlegen! Du bist doch...!«
»Lass gut sein. Mir geht es prächtig!«, sagte sie leise und drückte ihn an der Schulter auf seinen Platz nieder.
Dabei allerdings erhaschte er einen Blick unter die Decken, die sie sich übergeworfen hatte und mit einer Hand vor der Brust zusammenhielt. Er schluckte.
»Du bist wieder in Ordnung?«, fragte er. »Bist du sicher?«
Sie ging vor ihm in die Hocke. »Ja«, flüsterte sie. »Vollkommen. Wie lange hab ich denn geschlafen?«
Er blickte zum Himmel auf und taxierte den Mond hinter dem Sonnenfenster. »Ungefähr sieben Stunden«, sagte er. »Vielleicht acht...«
»Pssst!«, zischte sie und legte den Finger an den Mund. »Sei doch leise! Die anderen schlafen!«
»Ja«, erwiderte er verdattert. »Aber wir sollten Munuel wecken, damit er nach dir sieht...«
Sie verzog das Gesicht. »Nein, nein!« Sie schüttelte energisch den Kopf. »Nicht Munuel! Nein, ich ...!«
»Was ist denn? Hast du Hunger? Oder Durst? Ich könnte ...«
Die Art, wie sie nickte und ihn dabei ansah, ließ ihn stocken.
»Hunger oder Durst... na ja, so ähnlich könnte man sagen...«
Sie griff mit der freien Rechten nach dem Zipfel des Deckenberges über ihren Schultern, hob ihn dann rechts und links ein ganzes Stück an und rückte ihn über ihrer
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