Höhlenwelt-Saga 1 - Die Bruderschaft von Yoor
gekommen, dass er ein Problem mit dem Verstand hatte lösen wollen, das nur mit dem Gefühl zu lösen war. Es war ihm noch einmal passiert, und obwohl er da schon wusste, dass er seinen Verstand außen vor lassen sollte, war es ihm nicht geglückt. Der Verstand war manchmal eine verdammte Falle.
»Leg dich mal hin«, sagte sie. »Ich hab eine Idee.«
»Ich soll mich hinlegen ...?«
»Mach dir keine Hoffnungen, du Rüpel«, spöttelte sie gutmütig. »Aber ... wenn du's schaffst, kriegst du vielleicht einen Kuss!«
»Einen Kuss?«, fragte er hoffnungsvoll.
»Ja, aber nur einen klitzekleinen, verstanden? Los, nun leg dich schon hin!«
Victor streckte sich gehorsam auf der Decke aus, die ihm als Sitzunterlage gedient hatte.
»Nun schließe die Augen!«
Victor gehorchte. Er wusste nicht, was Leandra da für ein seltsames Experiment vorhatte, vielleicht wollte sie ihm nun die Existenz des Trivocums einsuggerieren. Er wusste, dass das niemals klappen konnte. Als er die Augen geschlossen hatte, hatte er das Gefühl, dass Leandra sich über ihn gebeugt hatte. Als sie dann weitersprach, hörte er am Klang ihrer Stimme, dass sie ihm tatsächlich ganz nah war.
»Entspanne dich. Lieg ganz ruhig und achte darauf, dass dich nichts drückt und du vollkommen bequem liegst.«
Ihre weiche Stimme tat ihm wohl, und er bemühte sich, tatsächlich Entspannung zu finden.
»Wie fühlst du dich, Victor?«, fragte sie.
»Nicht so besonders ...«
»Ja, das verstehe ich. Du zweifelst an dir selber. Du bist verkrampft und enttäuscht. Aber - tu mir den Gefallen und vergiss das.«
Er schnaufte angestrengt, wusste nicht recht, wie er das bewerkstelligen sollte.
»Erinnerst du dich ...«, sie zögerte einen Augenblick, »... an vorletzte Nacht?«
Er atmete auf, als die Gedanken an diese Begegnung mit ihr auf ihn einstürzten. Er würde so gern noch einmal ihre Haut spüren ...
»Ich weiß, dass du dich entspannen kannst«, sagte sie. »In dieser Nacht warst du völlig entspannt. Denk nur daran zurück und versuche, dich so zu fühlen wie vorgestern.«
Er war überrascht, dass es ihm gelang. Zwar überkam ihn das Verlangen nach ihr, aber er konnte sich beherrschen. Nach einer Weile dachte er, dass er es vielleicht geschafft hätte.
»Ist es besser?«, fragte sie.
»Ja ... ich denke, es geht...«
»Fein.« Ihre Stimme war ganz nah bei seinem Ohr.
»Ich werde dir jetzt vier oder fünf Sätze sagen. Den ersten wirst du ganz leicht glauben können, den zweiten schon nicht mehr so leicht und so weiter. Aber du musst mir versprechen, jeden Satz so selbstverständlich wie den vorigen in dir aufzunehmen, verstehst du? Ohne Widerstand, ohne darüber nachzudenken; ihn einfach hinnehmen und so bedingungslos zu glauben wie den Satz, den ich dir zuvor gesagt habe.«
»Das bedeutet ja ...«
»Ich weiß, was das bedeutet. Aber du schaltest schon wieder deinen Verstand ein. Vergiss ihn. Lass nur deine Gefühle zu und vertraue mir. Das ist das Wichtigste. Du musst mir vertrauen, dass ich lauter richtige Sachen sage. Lauter Sachen, die wahr sind. Kannst du das?«
»Ich weiß nicht...«
»Schon wieder grübelst du! Dein Verstand arbeitet ständig mit. Magie spielt sich auf der Ebene der Gefühle ab, verstehst du? Lass deinen Verstand zurück und höre nur noch auf deine Gefühle. Denk wieder ... an die vorletzte Nacht! Und lass deine Augen zu.«
»Ja ...«, sagte er leise und etwas Wehmut überkam ihn.
»Diese Nacht haben wir nur mit unseren Gefühlen durchlebt. Ich wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen.
Hast du mir in dieser Nacht vertraut? Ich meine, hättest du mir geglaubt, wenn ich irgendetwas Ungewöhnliches behauptet hätte?«
Langsam verstand er, was sie meinte. »Ja.«
»Kannst du mir noch immer glauben? Zum Beispiel, dass ich dich... sehr lieb habe, aber dass es trotzdem einen Grund gibt, aus dem ich nicht mit dir zusammen sein kann?«
Er zögerte. Sein Verstand drängte ihn, Leandras Äußerung zu hinterfragen, denn er konnte es wirklich nicht verstehen. Wie konnte sie ihn nur so sehr mögen und trotzdem ... Er atmete tief ein. Langsam begriff er, dass sein Gefühl bereits wusste und glaubte, was sein Verstand sich zu akzeptieren weigerte. Ja. Auch wenn es schwer war, es gab wirklich einen Weg, ihr einfach zu glauben.
»Ja«, sagte er schließlich.
Leandra atmete ganz nah an seinem Ohr, und das Gefühl, zu einem anderen Menschen grenzenloses Vertrauen haben zu können, war beglückend.
»Ich sage dir jetzt lauter
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