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Höhlenwelt-Saga 1 - Die Bruderschaft von Yoor

Titel: Höhlenwelt-Saga 1 - Die Bruderschaft von Yoor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Evers
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vermochten. Plötzlich schälten sich die Konturen ihres Gesichts aus der Dunkelheit. Sie waren rötlich.
    »Du lächelst, nicht wahr?«, fragte er mit geschlossenen Augen.
    »Stimmt!«
    »Und ... jetzt berührt dein rechter Zeigefinger deine Nase.«
    Ihr rötliches Abbild lächelte stärker.
    »Dein Zeigefinger ist ganz dunkelrot!«, stellte er fest.
    »Ja, das stimmt. Ich habe an der Fingerkuppe eine kleine Wunde.«
    Er atmete auf. Seine Augen ließ er geschlossen, so als würde er sonst diesen einmaligen Anblick für immer verlieren.
    »Du kannst die Augen ruhig öffnen«, sagte sie. »Mit ein wenig Übung kannst du das Trivocum auch mit geöffneten Augen sehen. Es ist nur die Frage, ob du es willst. Und ob du es wirklich zu glauben bereit bist, verstehst du?«
    Zögernd öffnete er die Augen einen Spalt breit, aber das rötliche Bild verlosch sofort. Er kniff sie wieder zusammen und hielt sie geschlossen. Dann spürte er ihren Mund sehr sanft auf seinem. Gleich darauf war sie wieder weg. Als er sich aufrichtete, saß sie lächelnd vor ihm.
    Er starrte sie an.
    »Du hast mir tatsächlich einen Kuss gegeben«, sagte er.
    »Siehst du, ich täusche dich nicht!«
    Er nickte. »Und du hast mir das Trivocum gezeigt.«
    »Ja.«
    Er seufzte. »Sag mir, wie ein Mann ohne dich weiterleben kann, wenn er einmal solche Dinge - und noch andere, noch schönere - von dir bekommen hat.«
    »Mit Vertrauen«, antwortete sie.
    »Sie sind hier? Und sie haben die Canimbra?«
    Sardins Worte donnerten mit einer Gewalt durch den Raum, dass Chast erzitterte. Nicht vor Angst - nein, allein die physische Gewalt war es. Chasts Augenlider zitterten kurz, das war alles, was er sich an körperlicher Reaktion auf Sardins Wutausbruch gestattete.
    »Ich hatte bereits früher darauf hingewiesen, dass wir diesem Magier und seiner Adeptin eine größere Macht entgegenstellen sollten als nur den Sucher«, sagte Chast kalt. »Er hat den Yhalmudt, und ich fürchte, das Mädchen verfügt ebenfalls über eine besondere Macht.«
    »Was für eine Macht?«, donnerte Sardin.
    Chasts Augenlider flatterten abermals; er wünschte sich, dass sein Meister nicht ständig so gewalttätig auftreten würde. Er schnaufte leise und wartete eine Sekunde, bis das Dröhnen in seinem Schädel nachließ.
    »Ich kann es nicht sagen«, erklärte Chast.
    Er studierte die Züge seines Gegenübers und versuchte zu erspüren, ob Sardin ebenfalls den naheliegendsten Verdacht hegte. Aber dem war offenbar nicht so. Chast hatte beschlossen, das Wort Jambala nicht auszusprechen, einesteils, weil er nicht sicher war, zweitens, weil er Sardins unweigerlichen Tobsuchtsanfall regelrecht fürchtete. Es gab noch einen dritten Grund, aber den würde Chast in jedem Fall für sich behalten.
    Eine Art von höllischer Wut und Lust an der Zerstörung stand in Sardins grotesken Zügen - die sogar ihm, Chast, etwas Beklemmung verschafften. Der Hohe Meister und damit Oberhaupt der Bruderschaft war in seiner Wesensart beinahe unbegreiflich; Chast wusste, dass sich von seinen Brüdern fast keiner mehr in seine Nähe wagte. Mehrfach schon hatte Sardin den Überbringer einer Botschaft - sie mochte nicht einmal schlecht, sondern nur schwierig gewesen sein - mit einem kurzen Augenzwinkern zu Asche verbrannt. Die magische Energie, mit der Sardin geladen war, übertraf alles, was derzeit in dieser Welt existierte.
    Trotzdem hatte Chast keine wirkliche Angst vor ihm.
    Sardin war nicht mehr in der Lage, sich um einfache Dinge zu kümmern, wie etwa das Aufheben eines heruntergefallenen Gegenstandes. Dafür war er schon zu weit vom Menschsein entfernt. Seine körperliche Rückkehr in diese Welt, die vor etwas mehr als dreißig Jahren stattgefunden hatte, konnte man nur als eine überraschende, beinahe unerträgliche Naturgewalt bezeichnen. Nein, Naturgewalt war nicht der richtige Ausdruck, korrigierte sich Chast. Es war eine übernatürliche Gewalt gewesen.
    Sardins spontaner Versuch, mit einem Schlag die Macht über die Welt an sich zu reißen, damals, mit dieser Sache in Hegmafor, war nach Chasts Geschmack viel zu übereilt und ausschließlich von Sardins unerklärlicher innerer Kraft angetrieben gewesen. Chast war zu dieser Zeit nur ein minderes Mitglied der Bruderschaft gewesen, hatte die Katastrophe von Hegmafor nur unvollkommen ermessen können. Sein eigener Aufstieg hatte erst danach begonnen.
    Nun aber stand er als die treibende, intellektuelle Kraft der Bruderschaft nur noch eine winzige Stufe unterhalb

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