Höhlenwelt-Saga 4 - Das magische Siegel
von ledriger Beschaffenheit.
Zwei Reihen winziger, nadelspitzer Zähne verliehen dem Mund
etwas unangenehm Gefährliches, obwohl Marko bezweifelte, dass
ein solches Wesen zubeißen würde. Die Gesichtszüge indes schienen wie zu immerwährender Verächtlichkeit erstarrt und hinzu
kam noch ein widerwärtiger Gestank nach altem Urin und Moder.
Marko hatte sich in seltsamer Faszination lange nicht vom Anblick des toten Drakken losreißen können. Er fragte sich, welche
Laune der Natur eine solche Kreatur erschaffen hatte, deren Daseinszweck offenbar darin bestand, Leid zu verbreiten. Die Vorstellung, dass es unter diesen Drakken männliche und weibliche
Wesen gab, die sich lieben und zärtlich berühren mochten, grenzte geradezu ans Groteske. Die Frage ihrer Fortpflanzung erschien
deswegen umso interessanter: Vielleicht legten die Weibchen
Eier, welche dann in ihrer Abwesenheit von den Männern befruchtet wurden – irgendwie so musste es funktionieren. Welchen Geschlechts der getötete Drakken war, vermochten sie nicht zu sagen. Inzwischen lag das Echsenwesen unter einer großen Plane,
die Meister Izeban über den Wagen gebreitet hatte. Sie hatten
auch eine der seltsamen Waffen mitgenommen und die anderen
getöteten Drakken in der kleinen Senke unter Blätterhaufen begraben. Jerik bestand zuletzt noch darauf, alles möglichst unauffällig zu hinterlassen. Im Besonderen galt das für das fremde
Fahrzeug: Er wollte es in eine illusionäre Schutzaura hüllen. Der
Einsiedlermagier schien ein Mann von beachtlichem Können zu
sein.
Marko beobachtete ihn fasziniert beim Wirken seiner kunstvollen Magie. So etwas hatte er noch nie zuvor gesehen. Nach kurzer Konzentration erhob Jerik beide Hände. Etwas Unnennbares
entstand zwischen ihnen, wie ein Hitzeflimmern über einem heißen Stein im Sommer. Es begann sich träge zu bewegen, breitete
sich aus und umfloss dann mit einem mystischen Rauschen den
lang gestreckten Körper des Flugschiffs. Die Magie zwischen Jeriks Händen versiegte und sie traten zurück.
Marko stieß einen Laut der Überraschung aus, als er nach dem
Schiff sah. Er hätte nun nicht mehr so recht sagen können, ob es
noch da war oder nicht. Jemand, der steif und fest behauptete,
dass dieses Ding hier auf der Lichtung stand, hätte es wohl aus
den Augenwinkeln irgendwie sehen können, vielleicht sogar auch
dann, wenn er direkt auf die Stelle starrte und seine Form im
Geiste nachzubilden versuchte. Marko jedoch war überzeugt davon, dass ein Nichteingeweihter nur etwas Unbestimmbares fühlen, es aber nicht wirklich sehen konnte. Er würde sich höchstens
fragen, was in aller Welt ihm hier, auf dieser Lichtung, ein so seltsames Gefühl eingab! Es war wirklich faszinierend.
Jerik erklärte, dass sie gut daran täten, diesen Ort innerhalb
weniger Tage wieder aufzusuchen, um sicher zu gehen, das Flugschiff unberührt wieder zu finden. Die Magie würde an Kraft verlieren und sich schließlich auflösen. Als Marko wissen wollte, was
Jerik später mit ihm vorhatte, zuckte der Magier nur die Schultern. »Ich weiß es noch nicht. Wir sollten es erforschen. Es ist
möglich, dass diese fremden Wesen uns mit solchen Fahrzeugen
anzugreifen versuchen – da kann es nicht schaden zu wissen, wie
sie beschaffen sind, nicht wahr?«
Marko schluckte. Vor kaum mehr als einer Stunde war die Welt
noch ein friedlicher Ort voller Sonnenschein für ihn gewesen.
Jetzt hingegen sollte er hinnehmen, dass sie kurz davor stand,
von fremden Bestien überrannt zu werden. Das wollte ihm nicht
so recht gelingen.
Als sie die kleine Senke in Richtung der Straße verließen, blieb
Jerik noch einmal stehen. »Wartet«, bat er. »Mir ist noch etwas
eingefallen. Bevor wir gehen, sollten wir das mitnehmen.« Marko
und Meister Izeban hoben erstaunt die Brauen, als sich Jerik zurück auf die Lichtung begab, um vom Boden etwas aufzulesen.
»Steine«, sagte er, als er wieder bei seinen Weggefährten war,
und hob einen davon in die Höhe – ein ganz gewöhnliches
Exemplar. »Sie haben hier Steine eingesammelt.«
»Steine?«
Jerik zuckte die Achseln. »Ich weißt nicht, warum sie das taten.
Aber wir werden diese hier untersuchen. Vielleicht enthalten sie
etwas Wertvolles. Ein Mineral oder ein Edelmetall.« Meister Izeban nahm ihm den Stein aus der Hand. »Das ist nichts als gewöhnlicher Stein. Wolodit, soweit ich sehe. So ziemlich das Häufigste, was es überhaupt gibt.«
»Irgendeinen Grund müssen sie gehabt haben«, meinte
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