Höhlenwelt-Saga 4 - Das magische Siegel
um dich mit ihnen gegen uns zu verschwören.«
Rasnor versteifte sich. »Geht das nun schon wieder los?«,
knirschte er.
Sie winkte ab. »Nein, keine Sorge. Ich werde dich in Ruhe lassen. Damit du dir bloß keine Gedanken machen musst.«
Rasnor brummte unwillig, wandte sich auf dem Absatz um und
stapfte davon. Leandra setzte sich seufzend nieder und zog Cathryn zu sich.
19
Die dunkelste Stunde
Es war Wärme, die sie wieder zu sich kommen ließ; feuchte
Wärme, die durch all die andere Feuchtigkeit zu ihr drang.
Alina benötigte lange, um zu erwachen – so lange hatte es noch
nie gedauert. Es war, als überlegte sich ihr Körper und ihr Geist
mehrmals, es lieber doch nicht zu tun und auf ewig im Dämmerschlaf und in der Dunkelheit zu versinken. Aber da war diese seltsame, feuchte Wärme, schubweise, auf ihrem Gesicht und
manchmal auf ihren Händen. Immer wieder. Endlich erwachte so
etwas wie eine müde Neugierde in ihr. Eine mahnende Stimme im
Kopf, die sagte, sie solle nachsehen, was da war. Sie spürte ihren
Körper kaum, aber was sie davon spürte, fühlte sich an wie
durchgewalkt, wie mit Hämmern und Knüppeln weichgeklopft und
danach irgendwo in den Dreck geworfen. Es war dunkel, nass und
kalt um sie herum, so viel konnte sie immerhin feststellen. Sie
öffnete die Augen.
Nichts war zu sehen, sie spürte nur kalten Nieselregen auf ihrem Gesicht.
Dann sah sie kurz so etwas wie einen Schatten und Augenblicke
später fühlte sie abermals eine feuchte Wärme in ihrem Gesicht.
Eigentlich hätte ihr dies Angst oder wenigstens einen Schrecken
einjagen müssen; sie hätte aufspringen und sich verteidigen sollen. Aber im Moment war sie zu keiner Bewegung fähig; ihr Verstand erschien ihr wie zäher Brei, er wollte sich ebenso wenig
bewegen wie ihr Körper. Wieder spürte sie diese Berührung in
ihrem Gesicht, dann auf ihren Händen.
Sie stieß ein gequältes Seufzen aus – woraufhin so etwas wie
ein leises Quietschen hörbar wurde.
Was war da nur?
Sie hatte Lust zu weinen – vor lauter Niedergeschlagenheit und
Einsamkeit, aber es war auch eine gute Portion Dankbarkeit und
Freude dabei, denn sie hatte überlebt. Ihr war durchaus bewusst,
wie der letzte bewusste Moment gewesen war, bevor sie hier und
jetzt – in Dunkelheit, Kälte und Nässe – ein neues Leben beginnen durfte, wie auch immer das aussehen mochte.
Sie raffte ihre Kräfte zusammen und pumpte alles an Energie,
was sie noch hatte, in ihren Kopf und ihr Wahrnehmungsvermögen. Sie musste irgendwo unterhalb der Felswand liegen, im
feuchten Matsch, wie sie nun langsam spürte, aber es war ihr ein
Rätsel, wie sie den Sturz hatte überleben können.
Ihr letzter Blick hatte gute einhundert Ellen hinab in die Tiefe
gereicht, das war leicht doppelt so hoch wie die höchsten Bäume,
die sie gesehen hatte. Niemand überlebte einen solchen Sturz!
Sie versuchte ihre Beine und Arme zu bewegen – es gelang,
wenn auch nur um Winzigkeiten.
Als dann diese Berührung wieder kam, sie das Quietschen hörte
und ihr ein seltsamer Geruch in die Nase stieg, erkannte sie es
schlagartig: ein Hund!
Irgendwie musste sie ein Hund hier gefunden haben, der ihr
nun das Gesicht und die Hände leckte. Sie war nie eine besondere
Hundefreundin gewesen, und schon gar nicht mochte sie es, das
Gesicht geleckt zu bekommen; jetzt aber stiegen ihr vor Glück
und Dankbarkeit Tränen in die Augen. Sie lag nicht völlig allein
und verloren hier im Regen, sondern jemand kümmerte sich um
sie. Auch wenn es nur ein Tier war. Sie spürte, dass der Hund
groß sein musste, denn ihr Bauch war nicht so kalt wie der Rest
ihres Körpers. Sie lag verkrümmt auf der Seite und der Hund lag
offenbar neben ihr; er hatte sich gegen ihren Bauch gepresst, um
sie zu wärmen. Sie hob mühevoll einen Arm, tastete in der Dunkelheit nach dem Fell des Tieres und flüsterte: »Hallo Hund!«
Die Antwort bestand aus einem aufgeregt-freudigen Fiepen und
einem neuerlichen Abschlecken ihres Gesichts. Der wedelnde
Schwanz des Hundes schlug ihr so heftig gegen das Schienbein,
dass es wehtat.
*
Alina verbrachte den ganzen Tag am nahen Waldrand. Unmittelbar unterhalb des Monolithen befand sich ein Streifen freien
Graslandes, etwa fünfzig Schritt breit; es war bekannt, dass dort
die Stadtwache wenigstens einmal am Tag Streife ging. Nun aber
mochten es die Drakken sein, und so hatte sie sich noch in der
Dunkelheit der Nacht bis zum Waldrand hinübergeschleppt. Dort
war sie kraftlos in sich
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