Höhlenwelt-Saga 4 - Das magische Siegel
bereits in der Hauptstadt
gewesen waren und es – wie Guslov – noch geschafft hatten, aus
Savalgor herauszukommen. Am frühen Nachmittag hatte sie Waidenbruch wieder verlassen – und sich bald gewünscht, sie wäre
geblieben. Am Abend, nach einem langen Ritt, bei dem sie ein
scharfes Tempo angeschlagen hatte, war sie von einem Drakkenschiff aufgehalten worden. Sie hatte gerade in der Dämmerung
an einem kleinen Fluss nach einem günstigen Lagerplatz gesucht,
als sie das entnervende Jaulen des Schiffs vernommen hatte. Mit
gewaltigem Getöse und grellen Lichtern war es ganz in ihrer Nähe
gelandet. Zu Alinas Entsetzen war sogar ein Bruderschaftler bei
den Drakken gewesen, der sie die ganze Zeit über misstrauisch
beäugt hatte. Nach angstvollen Minuten war das Drakkenschiff
wieder davongeflogen. Man hatte ihr die Warnung hinterlassen,
dass sie in sechs Tagen wieder in Savalgor sein müsse.
Das Gleiche hatte sie in der Nacht noch zweimal gehört, als weitere Patrouillenschiffe bei ihr gelandet waren, das letzte etwa eine
Stunde nach Mitternacht. Danach war sie ein reines Nervenbündel
gewesen, viel unruhiger noch als ihre drei Tiere. Benni, die treue
Seele, spürte ihr Unwohlsein, drängte sich, sobald sie sich niedergelegt hatte, winselnd an ihre Seite und versuchte, ihr das
Gesicht zu lecken. Schließlich musste sie ihn mit barschen Worten
verscheuchen.
Für den Rest der Nacht blieb es zum Glück ruhig. Alma lag lange
Zeit wach und fragte sich voller Furcht, wie lange ihre Tarnung
noch halten würde. Keiner der Drakken war bisher auf die Idee
gekommen, sich ihr Halsband genauer anzusehen. Die Haarklammer, mit der sie es im Nacken zusammengefasst hatte, hielt
zum Glück gut, das Band saß stramm an ihrem Hals. Wenn jedoch jemals bei einer Kontrolle der kleinste Verdacht aufkam, war
es aus mit ihr. Die Alternative bestand darin, dass sie das Halsband wegwarf, dann aber durfte sie sich weder irgendwo in einem
Dorf blicken lassen noch einer zufälligen Drakken-Patrouille in die
Hände fallen. Zusätzlich bestand die Gefahr – und die war vermutlich sehr ernst –, dass man das Halsband dann finden, seine
Besitzerin Gulda aber vermissen würde. Es war ganz egal, wo sie
versuchte, es loszuwerden – es war von den Drakken jederzeit
auffindbar. Und würde man es ohne sie finden, würde man sie
jagen.
Aber es gab noch eine weitere Gefahr. Bei jeder Kontrolle war
ihr bisher gesagt worden, wann sie zurück in Savalgor zu sein
hatte. Würde man sie nach dreieinhalb oder spätestens nach vier
Tagen an einem Ort aufgreifen, der mehr als drei Tagesreisen von
Savalgor entfernt lag, würde man wissen, dass sie überhaupt
nicht vorgehabt hatte, innerhalb der gesetzten Frist in die Hauptstadt zurückzukehren.
Dieser Gedanke bekümmerte sie auch am nächsten Morgen. Sie
hatte bald nach Sonnenaufgang, noch im Morgennebel, ein paar
Kräuter gesammelt, sie eine Stunde später auf dem Markt eines
kleinen Dorfes verkauft und dort neue Vorräte erstanden. Seit
dem frühen Vormittag ritt sie wieder in zügigem Tempo westwärts, nunmehr immer auf der Straße, um nicht weiter aufzufallen.
Als sie gegen Mittag die Mornebrücke überquerte, erreichte sie
nach ein paar Meilen eine Wegabzweigung. Ein Pfosten mit zwei
verwitterten Schildern wies nordwärts nach Tulanbaar, während
der westliche Pfad nach Mittelweg führte. Letzteres war auf jeden
Fall eine ihrer wichtigsten Stationen, aber sie war nicht sicher,
welcher Weg der kürzere war. Sie hatte noch anderthalb, höchstens aber zwei Tage, bis sie bei einer Kontrolle auffallen würde.
Bis dahin musste sie so weit vorgedrungen sein, wie sie nur konnte. Vielleicht schaffte sie es bis über die Rote Ishmar hinweg, jenseits von Mittelweg. Dort begann wildes, nur wenig besiedeltes
Land. Sie hatte ohnehin vor, der Ishmar nach Norden bis ins Ramakorum zu folgen.
Alina ging davon aus, dass der westliche Weg der kürzere sein
würde. Sie rief Benni und lenkte ihre Stute Mirla nach Westen.
*
Es war früher Nachmittag, als sie die Minen erreichte.
Mitten im flachen Grasland, etwas nördlich der Straße, erhob
sich eine Gruppe von mächtigen Stützpfeilern. Der Felsenhimmel
war hier, nahe der Ishmar, besonders hoch: fast zehn Meilen. Es
war eines der lichtesten Gebiete in ganz Akrania, und zugleich
auch eine Gegend, in der man manchmal bis zu fünfzig Meilen
weit sehen konnte, ehe einem die Pfeiler und Felsbarrieren in der
Ferne die Sicht wieder verstellten. Riesige
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