Höhlenwelt-Saga 4 - Das magische Siegel
Quendras und den Kryptus.
Wenn dies auch noch fehlschlug, war alles verloren – dann war
jede Hoffnung dahin.
Wie betäubt holte sie sich die ergatterten Vorräte. Immerhin
dachte sie daran, die wertvolle Öllampe an sich zu bringen. Sie
löschte sie und machte sich mit aller Vorsicht, zu der sie noch
fähig war, auf den Weg ins erste Stockwerk, wo sie wieder in die
Geheimgänge zu gelangen hoffte.
Sie hatte Glück und schaffte es, ungesehen ein Stockwerk höher
zu schleichen. Dort fand sie den Zugang und gelangte wieder in
die geheimen Gänge, wo sie mithilfe des Glimmpulvers eine Kerze
entzündete. Die Markierungen wiesen ihr den Weg zu dem Raum,
in dem Victor und Marie auf sie warteten.
Während sie sich näherte, hörte sie abermals Stimmen. Verblüfft blieb sie stehen und lauschte.
»Hilda!«, rief sie dann und rannte los. Auf der Schwelle zu dem
kleinen Raum stieß sie beinahe mit Hilda zusammen.
Victor saß auf einem der alten Stühle und kämpfte sich in die
Höhe. Er war in Unterhosen, Hilda war offenbar gerade damit beschäftigt gewesen, seinen Verband zu erneuern. Er nahm Alina
erleichtert in die Arme. »Wo warst du so lange? Ich habe mir
furchtbare Sorgen gemacht!«
Alina hatte jedoch nur Augen für Hilda. »Wo kommst du denn
her?«
Die alte Dame grinste schief und sah zu Victor.
»Marie fing an zu weinen«, erklärte Victor. »Da bin ich los und
habe nach frischen Tüchern gesucht.« Er deutete auf Hilda und
schnitt eine Grimasse. »Ich habe sie in einem Wandschrank gefunden. Sie wollte mich mit einer Schere erstechen!«
»In einem Wandschrank?«
Hilda lächelte verlegen. »Ja. Als die Drakken kamen, wusste ich
nicht, wohin…«
Victor winkte großmütig ab. »Ist schon gut so. Ich bin froh,
dass du nun hier bist. Du kannst mir und Marie helfen.«
Alina stellte den kleinen Milchkübel auf den Tisch und legte das
Tuch mit den Lebensmitteln daneben.
Plötzlich sah sie sich verwirrt um, entdeckte dann aber ihren
kleinen Sohn auf einem dicken Deckenlager in einer Ecke des
Raumes. Sie nickte verstehend, als sie dann auch noch einen Besen sah, und wandte sich um, um Hilda kurz in den Arm zu nehmen. »Danke. Man merkt gleich, wenn du da bist. Du bist wirklich
eine gute Seele.«
»Schon gut, Kindchen«, sagte Hilda. »Ich habe leider schlechte
Nachrichten«, erklärte Alina. »Sehr schlechte.« Sie erzählte Victor
und Hilda, was sie in der Küche mit angehört hatte. Die Gesichter
der beiden wurden grau. »Meister Fujima!«, flüsterte Victor. Hilda
senkte den Kopf, seufzte leise und hob beide Hände vors Gesicht.
Sie hatte die Tage der Revolte zusammen mit Alina und dem alten Meistermagier hier im Palast verbracht, und wer Meister Fujima einmal kennen gelernt hatte, konnte sich seiner einnehmenden Art kaum mehr entziehen. Er war ein Mann gewesen, der
verzeihen konnte und dem die Gutartigkeit ins Gesicht geschrieben war. Dass Rasnor ausgerechnet diesen wundervollen Menschen so kaltblütig ermordet hatte, war unfassbar. Victor erhob
sich. »Alina, du musst Quendras aufsuchen! Er ist unsere letzte
Hoffnung. Wenn Rasnor Leandra und auch noch ihre kleine
Schwester in seiner Gewalt hat, kann er sie und damit auch uns
zu allem zwingen, was ihm in den Sinn kommt. Das darf einfach
nicht passieren!« Alina wusste, dass die Gefahr, die Victor da
ansprach, mehr als nur das Scheitern all ihrer Anstrengungen
bedeutete. Schon dass Rasnor Leandra in seiner Gewalt hatte,
musste für Victor die Grenze des Erträglichen überschreiten. Aber
sollte dieser widerwärtige Kerl, der jetzt so viel Macht zu besitzen
schien, ihm jemals in die Hände bekommen, würde er ihn töten.
Alina nickte. »Gut. Ich nehme die Öllampe. Sie ist noch fast
voll.«
»Kennst du dich in den Katakomben unter der Stadt aus?«,
fragte Victor.
Sie zuckte die Achseln. »Nun ja – immerhin habe ich Marie dort
unten zur Welt gebracht.«
»Ich weiß nicht, ob man durch die Katakomben überhaupt noch
nach Torgard kommt. Vielleicht ist dort schon alles überflutet.
Das Pumpwerk ist seit Wochen nicht mehr in Betrieb.«
»Ich muss es versuchen.« Sie bemühte sich um einen entschlossenen Gesichtsausdruck; Victor und Hilda sollten sich keine
unnötigen Sorgen um eine verzagte und angstvolle Alina machen
müssen. Die alte Dame erhob sich und suchte nach Dingen, die
sie einpacken und Alina mit auf den Weg geben könnte.
»Lass nur, Hilda«, erwiderte diese und legte ihr die Hand auf
den Arm. »Ich bin ja nur ein paar Stunden fort. Und
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