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Höhlenwelt-Saga 5 - Die Schwestern des Windes

Titel: Höhlenwelt-Saga 5 - Die Schwestern des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Evers
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rekonstruieren.
    Ihre Antwort aber war noch überraschender; sie war geradezu von philosophischer Größe und machte nur umso klarer, dass sie wirklich mehr war als ein banaler Programmcode. »Kennen Sie den Sitz Ihrer Seele, Boss?«, fragte sie. »Wüssten Sie, welches Stück Sie von sich retten müssten, um Ihre Seele zu retten?«
    Er ächzte leise.
    »Womöglich verhält es sich so«, fügte Sandy mit trauriger Stimme hinzu, »dass nur das Ganze die wahre Seele darstellt.«
    Roscoe fiel nichts mehr dazu ein. Sandy würde hier bleiben müssen und mit der Moose untergehen. Er hätte beinahe angefangen zu heulen, obwohl sein Verstand ihm wütend einhämmerte, dass sie nichts als ein Stück Software war. Sie würde bei ihrem Tod ebenso wenig Schmerzen verspüren, wie er Grund hatte, jetzt den Verzweifelten zu spielen. Er würde sich später eine zweite Sandy kaufen können, irgendwo bei einem Softwarehändler, eine exakte Kopie, und sie würde nicht einmal allzu teuer sein. Sie war kein Lebewesen. Nicht so wie das Mädchen und nicht einmal wie Vasquez. Obwohl Roscoe diese Frau hasste, hätte er ihr Leben jederzeit eher gerettet als das Sandys. So war das nun einmal. Das gebot allein… die Menschlichkeit. Beinahe hätte er aufgelacht. Trotzdem breitete sich dumpfe Trauer in ihm aus.
    Er würde, da konnte ihm einer sagen, was er wollte, eine gute Freundin verlieren. Sie hatte sich um ihn gekümmert, auch um das Mädchen, und das sogar mit großem Feingefühl. »Sandy, du wirst mir fehlen«, sagte er traurig. »Sie haben nach meinem Zeitplan noch zwölf Sekunden, um das Kabel anzukoppeln, Boss«, erwiderte sie. Ihre Stimme kam ihm ungewöhnlich weich vor.
    Er leistete sich kein Zögern mehr, eilte mit dem Kabelende zu einem der Verteiler-Terminals und riss die Verkleidungsklappe auf. Der korrekte Anschlussring blinkte bereits. Während er das Kabel in das Kupplungsschloss einstemmte, dachte er, dass er außer Sandys warmer Stimme und ihrem immerzu freundlichen Ton wohl am meisten ihre unglaublich präzise und zeitgenaue Vorarbeit vermissen würde. Wo immer auf der Moose etwas zu erledigen gewesen war: Sandy hatte bereits alle vorbereitenden Schritte getan. Das machte einem jede Arbeit zum Kinderspiel und somit zum Vergnügen.
    Er eilte zum anderen Ende des schweren Kabels aus Enolit-Gliedern und zog es lang. Ein dünner, grüner Laserstrahl flammte von irgendwoher auf und markierte mit einem Leuchtpunkt eine Stelle am hinteren Rumpf der Schiffshülle. »Sie können das Kabel mit dem Magnetschloss einfach hier ansetzen, Boss. Dann aber müssen Sie mindestens zwanzig Schritt Abstand nehmen, besser noch mehr.« Er folgte den Anweisungen. Mit einem lauten, metallischen Klacken klammerte sich das Magnetschloss an die blanke Schiffshülle, und er trat zurück.
    »Vasquez und die Kleine…«, hob er an. »… sind bereits aus der Gefahrenzone, Boss. Ich habe sie informiert.«
    Er drehte sich um und rannte davon. Sandy fuhr die Beleuchtung herunter, Warnlampen begannen zu blitzen, und eine Sirene lief an. Sie begann einen kurzen Countdown. »Ich beende nun die Beschleunigungsphase. Schock-Ladevorgang in t minus drei, zwei, eins…«
    Dann brach ein krachendes Feuerwerk im Frachtdeck los. Der gesamte Hopper wurde von einem knisternden und knatternden Gespinst von bläulichen Elektroblitzen eingehüllt. Funken stoben davon und zerplatzten mit lautem Knall, die Beleuchtung flackerte. Vasquez und das Mädchen standen ein gutes Stück rechts von ihm hinter einen Aggregatblock geduckt und beobachteten das energetische Schauspiel.
    »Sandy, wie lange haben wir noch?«, rief er durch den Lärm.
    »Drei Minuten vierzehn Sekunden«, ertönte ihre Stimme laut und verständlich. »In etwa einer Minute ist der Ladevorgang beendet. Sie müssen dann sofort an Bord und den Start einleiten.
    Ich werde mich um den Rest kümmern.« Er antwortete nichts – es gab nichts mehr zu sagen. Er hatte keine Ahnung, wie man sich von einem Stück Software verabschiedete, das im Begriff stand zu sterben. Die Moose selbst bedeutete ihm nicht wirklich etwas; er fuhr diesen Pott zwar schon einige Jahre, aber diese Halon-Leviathane waren ihm stets unheimlich geblieben.
    Er blieb in Deckung, bis der Schock-Ladevorgang beendet war.
    Sandy gab das Signal und informierte ihn über die verbleibende Restzeit: eine Minute achtundfünfzig Sekunden. Roscoe hatte keine Ahnung, ob man in dieser Zeit einen Hopper in Startbereitschaft bringen konnte. Er sprang auf und

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