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Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens

Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens

Titel: Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Evers
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festsaugen wollen. Heute
hat sich alles gegen mich verschworen, dachte sie missmutig. Als
sie den Fisch im Wasser erblickte, warf sie das letzte Steinchen,
das sie noch in der Hand trug, nach ihm. »Hier, nimm das!«, rief
sie ärgerlich. »Meine Füße kriegst du…«
Sie blieb stehen.
Nerolaan, der sich erhoben hatte, blickte sie fragend an.
»Diese Platte, auf der ich stand«, begann sie und starrte zu Nerolaan auf.
Eine Platte?, fragte er.
Ja. Zwischen dem hintersten Säulenpaar, auf dem Wüstenboden. Ich hatte sie ganz vergessen. Da ist eine Steinplatte mit einer Gravur. Ein Dreieck mit Linien – als ob es leuchtete. Und ein
Ornament darunter. Es sah aus wie… Ranken. Oder Treppenstufen.
Eine Weile schwiegen sie beide nachdenklich.
Ein leuchtendes Dreieck wüsste ich, meinte Nerolaan schließlich.
Hier auf der Hochebene.
Marina nickte. Ja. Die Spitze der Pyramide, nicht wahr?
Aber leuchtet die?
Es kommt darauf an, wo man sich befindet. Und… wann.
Marina starrte Nerolaan an, sie wusste nicht recht, was er meinte.
Ich bin heute schon oft über die Pyramide hinweggeflogen, erklärte er, zu jeder Tageszeit. Manchmal blitzt die Spitze im Sonnenlicht auf, so hell, dass es mich blendet. Es kommt auf die Tageszeit an – und wo man sich gerade befindet.
Marina nickte bedächtig. Ja, das stimmt. Das sollten wir uns ansehen. Vielleicht ist dort das Rätsel versteckt.
Sie kletterte auf Nerolaans Rücken, der Drache warf sich in die
Luft, und nach wenigen Minuten schon hatten sie die drei oder
vier Meilen zur Pyramide hinter sich gebracht.
Marina sprang von Nerolaans Rücken und kniete sich zwischen
dem letzten Säulenpaar auf den Boden. Mit der Hand wischte sie
die Steinplatte unter ihren Füßen frei.
Sie war quadratisch, besaß eine Kantenlänge von etwa zweieinhalb Schritt und bestand aus einem Stück. Nerolaan reckte seinen
langen Hals, sodass er sich die Gravur im Stein von oben ansehen
konnte.
Du hast Recht, Marina. Die Linien um das Dreieck sind unterschiedlich lang, immer eine kurze und eine lange. Das stellt sicher
ein Strahlen dar. Marina zeichnete mit dem Zeigefinger die anderen Formen nach. Und dies hier? Was sollen diese schrägen Treppenstufen bedeuten?
Nerolaan neigte den mächtigen Schädel, um das Ornament genauer betrachten zu können. Rechts und links des Dreiecks befanden sich Linien, die wie steile, kurze Treppen aussahen, jeweils nur drei Stufen lang. Unten waren sie offen, oben ebenfalls,
und zwischen den beiden obersten Linien lag das strahlende
Dreieck.
Marina ließ sich auf den Hintern fallen. Sie stöhnte. Da haben
wir wieder so eine Denkaufgabe, ähnlich wie bei dem Ornament
drinnen in der großen Halle. Diese Ornamente kosten mich den
letzten Nerv.
Immerhin gibt es hier keine Vertiefungen, in die man etwas Falsches einpassen könnte, meinte Nerolaan.
Marina blickte zu ihm auf. Solche spitzen Bemerkungen waren
gar nicht seine Art. Irgendeine Veränderung schien in ihm vorgegangen zu sein – nichts, was sie gestört hätte, aber er war einfach anders. Es schien, als wäre etwas lange Vergessenes in ihm
erwacht, etwas, das er selbst noch nicht begreifen konnte, das
aber Einfluss auf sein Verhalten hatte. Nerolaan war bislang ein
sehr würdevoller Vertreter seiner Art gewesen, ernst, stets besonnen und von einer für Drachen typischen Humorlosigkeit. Wobei es allerdings noch ein weiter Weg von Nerolaans Humorlosigkeit zu der von Meados war. Inzwischen aber glaubte Marina etwas Verspieltes, ja fast Kindliches in Nerolaans Seele spüren zu
können, ein Stück mehr Neugierde und geistige Wachheit – und
insgesamt war er ihr in dieser >gelösteren< Verfassung sogar
noch ein bisschen lieber.
Im Augenblick allerdings war sein Kampf gegen ihren Verdruss
nicht von Erfolg gekrönt. Missmutig starrte sie auf die Steingravuren und wusste nicht, was sie damit anfangen sollte. Nerolaan
blickte auf und sah zur Pyramidenspitze empor. Sieh mal, sagte
er. Da liegt ein Sonnenfenster rechts neben der Pyramidenspitze.
Und links noch eines.
Marina folgte seinen Blicken und nickte mechanisch.
Ist es nicht so, fragte er, dass sich das Licht im Glas bricht? Wir
finden in den Höhlen unserer Kolonien manchmal große weiße
Kristalle, die aus den Felsen wachsen, und…
Nun hatte er ihre Neugier doch geweckt. Sie richtete sich auf
und maß mit gerunzelter Stirn die Spitze der Pyramide und die
beiden Sonnenfenster, die ein gutes Stück weit nach links und
rechts versetzt lagen.
Ein leiser Schauer

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